piwik no script img

Genfer Konferenz vor der letzten Runde?

Führer der bosnischen Serben lehnt UN-Friedensplan erneut ab/ Designierter US-Verteidigungsminister Les Aspin für militärische Durchsetzung des Flugverbots über Bosnien  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Vor der wahrscheinlich letzten Runde der Genfer Jugoslawienkonferenz hat der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić das seit Montag auf dem Tisch liegende dreiteilige Abkommen (Verfassung, Waffenstillstand, Karte mit der Provinzaufteilung Bosnien-Herzegowinas) in verschiedenen Interviews noch einmal entschieden abgelehnt. Der muslimische Präsident Alija Izetbegović nannte in einer Erklärung während seines Aufenthaltes am New Yorker UNO-Sitz die Karte mit ihrer von Vance und Owen vorgeschlagenen Grenzziehung „unakzeptabel“. Nach seiner Ankunft in New York am Mittwoch nachmittag unter anderem von dpa verbreitete Meldungen, wonach auch Izetbegović das ganze Paket verworfen habe, sind durch seine dort abgegebene Erklärung nicht gedeckt und wurden von seinem Genfer Botschafter dementiert. Nach gestern veröffentlichten Erkenntnissen einer EG-Untersuchungskommission sollen „nach den am ehesten begründbaren Schätzungen“ bisher rund 20.000 muslimische Frauen aller Alterstufen von serbischen Soldaten vergewaltigt worden sein.

Gegenüber dem bosnisch-serbischen Fernsehen sowie dem in Belgrad erscheinenden Magazin NIN erklärte Karadžić, den Serben könne „keine Lösung des Bosnien- Problems aufgezwungen werden“. Ein Einheitsstaat Bosnien-Herzegowina sei eine „Fiktion“. Realität hingegen sei die „Serbisch-Bosnische Republik“. Deren selbtsernanntes „Parlament“ sollte noch am Freitag über das in Genf auf dem Tisch liegende Abkommen „entscheiden“, kündigte Karadžić an. Zuvor hatte er ein „Referendum aller bosnischen Serben“ gefordert.

Die Vorsitzenden der Genfer Jugoslawienkonferenz, Cyrus Vance und David Owen werden sich nach Auskunft ihrers Sprechers Fritz Eckard jedoch auf diese oder andere Vorschläge, die „zu weiteren Verzögerungen führen“, nicht mehr einlassen. Ihre Absicht sei es, „in unveränderter Form bei dem am Montag vorgelegten Abkommen zu bleiben“. Damit sind auch die Chancen gering, daß Präsident Izetbegović die von ihm geforderten fünf Veränderungen der Karte noch durchsetzt. Wie bereits in seinem Interview mit der taz vom Donnerstag erklärte Izetbegović in New York, eine Umsetzung der von Vance und Owen vorgelegten Karte ratifiziere und legitimiere die Ergebnisse der „ethnischen Säuberungen“ und verhindere die Rückkehr der Vertriebenen in ihre Heimat.

Sein Genfer Botschafter Mustafa Bijedić machte gegenüber der taz den Leiter der Genfer Verhandlungen zu Bosnien-Herzegowina, den Finnen Martti Ahtisaari „zu 90 Prozent verantwortlich für diesen ungerechten, tribalistischen Ansatz einer Provinzaufteilung Bosnien-Herzegowinas. „Vance und Owen “ kritisierte Bijedić, „haben den verheerenden, völlig falschen Ansatz dann einfach übernommen und gegen alle Bedenken durchgezogen“.

Am Genfer Konferenzort herrscht inzwischen eine Stimmung wie heute vor zwei Jahren. Damals trafen sich hier die seinerzeitigen Außenminister der USA und Iraks, James Baker und Terek Aziz. Aus dem überraschend langen, siebenstündigen Treffen zogen die Journalisten damals den falschen Schluß, es habe eine Annäherung gegeben. Sieben Tage später begann der Angriff der von Washington geführten Allianz.

Diesmal wird es nicht so schnell gehen. Zwar ist die Verhandlungsrunde wahrscheinlich schon morgen, vielleicht sogar nach nur wenigen Stunden beendnet. Scheitert sie und damit der wichtigste Bestandteil der Jugoslawienkonferenz, dürften Vance und Owen ihr Mandat an den UN-Sicherheitsrat bzw. die EG zurückgegeben. Der Sicherheitsrat würde dann – frühestens nach der islamischen Regierungskonferenz vom 15.Januar – militärische Maßnahmen beschließen. Dieser Beschluß dürfte noch einmal mit einem ein- bis zweiwöchigen Ultimatum an die Serben verbunden sein.

Inzwischen hat sich auch der designierte US-Verteidigungsminister Les Aspin für eine militärische Durchsetzung des Flugverbots über Bosnien-Herzegowina ausgesprochen. Bei einer Anhörung vor einem Senatsausschuß antwortete Aspin daß er nie den Einsatz amerikanischer Bodentruppen im ehemaligen Jugoslawien befürwortet habe. Da „der Konflikt den Europäern näher“ liege, würde er den Einsatz europäischer Soldaten am Boden bevorzugen, wenn dies denn nötig sein sollte. Als mögliche US-Optionen nannte Aspin die Durchsetzung des für serbische Militärflugzeuge geltenden Flugverbots über Bosnien, Waffenlieferungen an die Moslems und Angriffe der US-Luftwaffe auf ausgesuchte Ziele.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen