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Erinnerung aus der Jackentasche

■ Ausstellung zur Geschichte des jüdischen Kulturbundes jetzt auch in Bremen

Wer nimmt schon große Bühnenbilder mit auf die Flucht? Das Fluchtgepäck muß klein sein und handlich, auf das Wichtigste beschränkt. Und was ist das Wichtigste, wenn Du Dein Leben auflösen mußt, um ins Exil zu gehen?

Vom 14. Januar an wirft das Überseemuseum diese Fragen auf: „Geschlossene Vorstellung — Der Jüdische Kulturbund in Deutschland 1933-1941“ ist der Titel einer Austellung, die sechs Wochen lang zu sehen sein wird: Ehemaliges Fluchtgepäck, vieles für die Ausstellung geliehen, von Überlebenden und Hinterbliebenen. Briefe, Zeitungsausschnitte, Fotos, Kostümentwürfe. Dokumente, die die Arbeit des Jüdischen Kulturbundes betreffen.

Man muß sich klarmachen, daß viele der jetzigen Ausstellungsstücke ihre BesitzerInnen ins Exil begleiteten und kleine Beweise für das Leben vor der Flucht waren, um den Charakter der allzu kleinen Fotos zu verstehen, der allzu eng beschriebenen Briefe dieser allzu gedrängten Ausstellung: All dies war leicht in der Jackentasche zu verwahren.

Dabei geht die Ausstellung nicht um Exil und Emigration deutscher, jüdischer KünstlerInnen. Vielmehr dokumentiert sie die Geschichte des Jüdischen Kulturbundes von 1933 bis 1941, einer Einrichtung von jüdischen KünstlerInnen, die in Deutschland geblieben waren. Gegründet von jüdischen KünstlerInnen in Berlin, als Ausweg aus der existentiellen Bedrohung durch Berufsverbote, hatte der Kulturbund bald Dependancen in rund hundert weiteren deutschen Städten (nicht in Bremen). Alle Sparten waren vertreten, von der Oper über das Schauspiel, den Tanz, Konzerte, bis zum Kabarett.

Man wußte im Kulturbund: mit Stärke waren die Nazis nicht zu besiegen — und setzte der Nazi- Übermacht verzweifelte Moral entgegen. So wie der Schriftsteller und Kritiker Julius Bab, Dramaturg des Kulturbundes bis zu seiner Emigration 1938: „Denn es bleibt eine bittere Sache — ein Ghettounternehmen — das wir freilich so gut machen wollen, daß sich die Deutschen schämen müssen.“

Die Gratwanderung zwischen künstlerischer Arbeit und politischer Vereinnahmung war ein schwieriger Weg. Wie die Einrichtung von den Nazis benutzt wurde, dokumentiert die Ausstellung: um der „Greuelpropaganda der Emigrantenpresse“ (so der Nazi-Jargon) den Kulturbund als Vorzeigeprojekt entgegenzusetzen.

Den wichtigsten Aspekten seines Bestehens sind in der Ausstellung Schwerpunkte gewidmet: der Enstehungsgeschichte zwischen künstlerischer Verwirklichung, Broterwerb und Vereinnahmung durch die Nazi-Propaganda. Dem Namensdiktat vom „Kulturbund deutsche Juden“ zum „Jüdischen Kulturbund“. Der Emigration und der Auflösung, der Deportation der Mitglieder.

Selbstzensur und Zensur durch die Nazi-Behörden waren der Preis für den Versuch, künstlerische Identität zu bewahren. Die Jahre des Bestehens sind in der Ausstellung einzeln dargestellt - die Spielpläne, die Kostümentwürfe, Rezensionen in der (zensierten) jüdischen und Presse. Daneben: die Schreiben des Ministeriums mit Zensurvorgaben.

Wer die KünstlerInnen nicht kennt, wird Schwierigkeiten haben, in der Ausstellung Begeisterung für einzelne Personen zu entwickeln, oder die Größe vom Menschen zu sehen, die ihre Würde und ihre Identität im künstlerischen Ausdruck zu behaupten suchten.

Auch darüber, was die Arbeiten für das — ausschließlich jüdische — Publikum bedeuteten, erfahren wir nichts. Im Katalog (aus Berlin übernommen) blickt Henryk Broder über auf die Ausstellung zurück. „Wir sollten sofort losziehen und suchen“, schlägt er denen vor, die noch offene Fragen haben! Eva Rhode

Studierende der Uni Bremen führen Gruppen auf Wunsch durch die Ausstellung. Tel: 246-1453 oder 1443

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