USA greifen in Mogadischu durch

■ Nach schweren Kämpfen in der somalischen Hauptstadt unternahmen die US-Truppen gestern die bisher größte Entwaffnungsaktion / Immer wieder Scharmützel zwischen US-Soldaten und Somalis

Mogadischu (AFP/wps/taz) – Rund 900 US-Marineinfanteristen haben gestern vormittag in der somalischen Hauptstadt Mogadischu mit einer großangelegten Entwaffnungsoperation begonnen. Die Soldaten errichteten Straßensperren entlang der sogenannten „grünen Linie“, die die verfeindeten Lager von General Farah Aidid und Ali Mahdi in Mogadischu trennt, und riegelten das Stadtviertel Sinay ab. Ziel der Aktion sei es, den in dem Viertel gelegenen Waffenmarkt von Bacara auszuschalten, sagte der US-Militärsprecher Eric Carlson. „Wir hoffen, daß wir zahlreiche Waffen finden. Der Markt von Bacara ist der größte in Somalia“, fügte er hinzu. Carlson bezeichnete die Entwaffnungsaktion als die „größte Operation dieser Art in Mogadischu“. Kampfhubschrauber hatten zuvor den Bacara-Bazar überflogen und die Bevölkerung per Lautsprecher aufgerufen, alle Waffen den Soldaten auszuhändigen, teilte ein Militärsprecher mit.

Der Stadtteil Sinay war bis zur vergangenen Woche einer der wichtigsten Übergänge für Hilfskonvois in den Norden der Stadt. Noch am Sonntag hatte sich hier der Murusade-Clan der Murusade heftige Feuergefechte mit General Aidids Habr-Gedir-Clan geliefert. Die Murusade wollten die Schwächung Aidids nach dem US-Sturmangriff auf eines der Waffenlager des Kriegsherren am vergangenen Donnerstag nutzen, um das von ihnen kontrollierte Stadtgebiet zu vergrößern. Außerdem wollen sie sich, so das Urteil der somalischen Menschenrechtlerin Rakiya Omar, auf diese Weise als „dritte Kraft“ zwischen Aidid und Mahdi etablieren – sie sind nicht auf der Somalia-Friedenskonferenz in Addis Abeba vertreten.

In die Kämpfe vom Sonntag, die viele Menschenleben forderten, hatten die US-Truppen nicht direkt eingegriffen. „Wir unternehmen keine Schritte, zu intervenieren“, sagte Militärsprecher Fred Peck am Sonntag. „Wir stehen da und schauen zu.“ Diese Haltung fand unter den Somalis im Kampfgebiet wenig Verständnis: „Wenn sie nicht zum Intervenieren gekommen sind, was machen sie überhaupt hier?“ schäumte ein Marktverkäufer mit Schußwunden gegenüber einem US-Reporter. Die US-Truppen waren bereits Ende Dezember kritisiert worden, daß sie die Murusade nach ersten Angriffen auf die Habr Gedir nicht entwaffnet hatten.

Die Sicherheitslage in Mogadischu hat sich ohnehin seit der ersten US-Entwaffnungsaktion gegen Aidid dramatisch verschlechtert. Zwischenfälle mit US-Truppen gehören zur Tagesordnung. Ein Vorfall nach US-Version: Sieben oder acht bewaffnete Somalis wurden in der Nacht zum Sonntag auf der Straße zur US-Botschaft gesehen; die dort wachhabenden US-Marines schickten eine Patrouille auf die Straße; als die Patrouille auf die Somalis zukam, nahmen diese eine „Hinterhaltsposition“ ein, worauf die US-Marines und die Patrouille das Feuer eröffneten. Bilanz: drei Tote.

Daß die USA immer tiefer in die somalischen Angelegenheiten hineingezogen werden, schlägt sich auch immer deutlicher in ihren Planungen wieder. Äußerungen von verschiedenen Stellen laufen darauf hinaus, zwar bald mit einem Teilabzug zu beginnen, der den Weg für eine UNO-Truppe freimachen soll, ansonsten aber einige Truppenkontingente noch Jahre im Land stationiert zu halten. Während in Washington – so von Noch-Präsident George Bush – vorrangig von dem bald beginnenden Teilabzug gesprochen wird, betonen US-Stellen in Mogadischu – so Militärsprecher Fred Peck – eher den langfristigen Verbleib. „Unsere optimistischsten Erwartungen sind weit übertroffen worden“, erklärte Fred Peck dazu, verblüffenderweise.

Die somalischen Kriegsführer weilen derzeit noch immer in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba, wo sie sich eigentlich am Freitag auf eine Friedenserklärung geeinigt hatten. Darin war die Einberufung einer Versöhnungskonferenz am 15. März sowie ein „sofortiger“ Waffenstillstand „unter der Kontrolle der jeweiligen politischen Bewegungen“ enthalten. Doch wurde gestern weiter verhandelt – über ein Schlußkommuniqué. Bei einem Scheitern dieser jüngsten Beratungen wäre die Friedenserklärung noch wertloser, als es angesichts der Lage in Mogadischu ohnehin den Anschein hat.