: Nicht jeder Öko-Fonds ist grün
Der Aktienmarkt für Umwelttechnologie boomt/ Ein Filter macht noch keine Öko-Produktion/ Ökobankschafft nachprüfbare Kriterien ■ Von Thomas Worm
Grün sind hierzulande nur die Fünfer und die Zwanziger, die kleinen Scheine also. Dollarscheine hingegen sind allesamt grün, einschließlich der Tausender. Vielleicht hat dies amerikanische Broker mit dazu inspiriert, passend zur Dollarfarbe grüne Investmentpakete im zweistelligen Milliardenbereich zu offerieren – im Gegensatz zu den schlafmützigen deutschen Bankern.
Gerade während des letzten Jahrfünfts hat sich in deutschen Landen das Interesse an umweltorientierten Investmentpapieren rasant entwickelt. Da boomt vor allem der Anlagemarkt für Umweltschutztechnologien, eine Branche, die mit Höchstverzinsungen lockt. Die Investitionen dieses Industriezweiges werden von gegenwärtig 40 Milliarden auf 400 Milliarden Mark im Jahr 2000 hochschießen – und damit auch der Kapitalbedarf.
Da außer Cash ein ethisches Anlagekriterium – der Umweltschutz – im Spiele ist, gelten Ökofonds im allgemeinen als Sonderform der ethischen Kapitalanlagen. In Deutschland hat das Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen ethische Kapitalfonds verboten; und zwar mit dem Einwand, daß jeder unter Ehtik etwas anderes verstehe, weshalb derlei Fonds nicht präzise zuzuordnen seien. Einzige Ausnahme sind dabei ökologische Anlagen.
Nun sind die Anforderungen an umweltfreundliche Wertpapier- Portfolios, obwohl kreditrechtlich kein Problem, in der grünen Investmentbanker-Szene umstritten. Handelt es sich doch in der Boombranche Umwelttechnologien zumeist um „Filterproduzenten“, die Anlagen zur Wasserreinigung oder Rauchgasentschwefelung herstellen. Für die Wertpapiere solcher „End-of-pipe-Technologie“-Produzenten haben Investmentberater wie „Focus“ und „KD Öko-Invest“ inzwischen sozialökologisches Gewissen und schnelle Mark nach dem Motto „human und rentabel“ in eine einprägsame Formel gegossen.
Bei der Frankfurter Ökobank hält man nicht viel von den renditeträchtigen Wertpapieren der „Filterproduzenten“. Sie dienten den Anlegern allenfalls als Heftpflaster fürs Bio-Gewissen. „Was hat denn der Kauf solcher Papiere mit Ökologie zu tun? Der Schaden sollte doch gar nicht erst entstehen“, heißt es bei der Ökobank. Beispiel Kat-Technik: Zwar vermindert der PKW-Katalysator kurzfristig den Schadstoffausstoß, trägt aber längerfristig dazu bei, daß herkömmliche Verbrennungsmotoren nicht aus dem Verkehr gezogen werden.
Vermeidung ist angesagt, Vermeidung von Abwässern, Abgasen, Abfall. Das gilt natürlich auch für das Umweltschutztechnologie- Unternehmen selbst: Ob es eine Dreckschleuder ist oder nicht, spielt bei gängigen Ökofonds als Kriterium bisher keine Rolle. Skurrilitäten in der Sparte sind aus den USA bekannt: Eine Tochterfirma der Umwelttechnologie- Firma Waste Management, der Mülldeponie-Betreiber Chemical Waste Management, gilt mit 43 Millionen Dollar Bußgeldern wegen Verstößen gegen das Umweltgesetz landesweit als größtes Schmutzferkel.
Während hiesige Großbanken wie die Dresdner oder Commerzbank ihrer um die Natur besorgten Kundschaft Umweltschutztechnologie-Fonds andienen, die zumeist ohne Aussiebeverfahren zustande kamen, setzt die kleine Ökobank am Main zum qualitativen Sprung an. Noch dieses Jahr werden die Frankfurter ihren Kunden und Kundinnen einen neu konzipierten ökologischen Investmentfonds vorstellen. Die Rendite der Öko- Aktien wird niedriger als marktüblich ausfallen, die Differenz kommt dem kapitalnehmenden Unternehmen als Prämie für die Pfadfindertaten zugute. Mit Hilfe eines Bewertungssystems, dem Öko-Rating, will die Bank garantieren, daß die Kapitalanlage tatsächlich naturverträglich produzierenden Firmen zufließt.
Das Rating der Ökobank umfaßt selbstredend die Ausschluß- Klassiker: Panzerschmieden, die Uran- und Plutoniumindustrie sowie erwiesene Hardcore-Verschmutzer wie etwa die Chlorchemie. Auch wenn die Tochterfirma eines solchen Herstellers aus der Zerstörungswirtschaft „pfiffige Produkte“ wie Bio-Chips für angekettete Einkaufswagen oder nachwachsende Bleistifte anbietet, bleibt sie aufgrund des Makels ihrer Muttergesellschaft ausgeschlossen.
Neben diesen Bewertungen existieren „weiche“ soziale Kriterien wie die betriebliche Gleichstellung der Geschlechter, die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen oder der Ausschluß ethnischer und politischer Diskriminierung, was jedoch in der Praxis schwer überprüfbar sein dürfte. Ergänzt wird das Öko-Rating durch eine Reihe von Positivkriterien. Fondsverdächtig sind danach Gesellschaften, die alternative Energieformen fördern, Vollwertkost produzieren und vertreiben, umweltfreundliche Güter erzeugen, in der Müllvermeidung, Wasser- und Luftreinigung tätig sind oder Umwelt-Consulting betreiben.
Ein echtes Novum in der deutschen Bankenlandschaft ist bei der Umsetzung dieser Öko-Rating- Kriterien ein unabhängiger Beirat, der aus 20 Mitgliedern von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen besteht wie Robin Wood, BBU und Medico International. Per Vetorecht kann der Beirat das Fonds-Management stoppen, sofern es sich um die sozialökologischen Maßgaben herumzumogeln versucht. Der Investmentfonds wird zu erkennen sein an seinem „sanften Vertrieb“: kein vollmundiges Anlocken der Kundschaft mit astronomischen Renditeversprechungen, sondern aufklärende Werbung über Kurs- und Währungsrisiken. Der oft mißhandelte Paradebegriff „ökologisch“ wird bei den grünen Erneuerern des Bankgeschäfts am Main zurückstehen. Jutta Gelbrich, Pressesprecherin der Ökobank: „Uns geht das sehr gegen den Strich, wenn sich alles als ,ökologisch‘ apostrophiert. In ein paar Jahren wird das ein Negativbegriff sein.“
Mit seinen hohen Qualitätsstandards an ein naturverträgliches „Portefeuille“ setzt die schmächtige Ökobank auf Signalwirkung. Auch bei bundesdeutschen Bankern und Börsianern. Öko-Rating erlaubt schließlich bei der Geldvergabe eine umweltökonomische Risikoabschätzung: Sind Katastrophen bei Umweltsündern – man denke an Sandoz – programmiert? Ist aus Imagegründen mit einem Absatzstau bei der Umweltsau zu rechnen? Ist die wirtschaftliche Basis eines Herstellers gesichert, indem er gesetzlichen Umweltauflagen zuvorkommt? Fragen über Fragen, die deutsche Bankmanager für ihre Anlagepakete nicht beantworten können. Deshalb sollten sie auf jeden Fall eines kapieren: Die Dukaten von morgen sind nicht golden – sondern grün.
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