Ghali: Auch Deutsche an die Front

■ UN-Generalsekretär fordert volle deutsche Beteiligung auch bei UNO-Kampfeinsätzen

Bonn (taz) – Der UNO-Generalsekretär ruft die Deutschen zu den Waffen. In unerwartet dramatischen Worten hat Butros Butros Ghali gestern in Bonn eine deutsche Beteiligung an Blauhelm-Missionen und Kampfeinsätzen der Weltorganisation gefordert. Deutschland müsse sich voll beteiligen und sowohl bei friedenserhaltenden, wie bei friedenserzwingenden und friedensschaffenden UNO-Einsätzen teilnehmen, erklärte der Generalsekretär. Auch wirtschaftlich und diplomatisch sollte die Bundesrepublik eine größere Rolle spielen. Ohne deutsche Beteiligung sei die Weltorganisation nicht in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen.

Dies, so beteuerte Butros Ghali, sei nicht nur seine persönliche Ansicht, sondern die Sicht der internationalen Gemeinschaft. Ohne die Beteiligung Deutschlands und anderer bedeutender Staaten könne die UNO nicht die Glaubwürdigkeit und Stärke erreichen, die sie brauche, um ihre Aufgaben zu bewältigen. Sorgen angesichts der Entsendung bewaffneter deutscher Soldaten gebe es in der Weltgemeinschaft nicht. Daß Deutschland in bestimmte Länder, wie das ehemalige Jugoslawien, keine Soldaten schicken wolle, sei kein Hindernis. Es sei Teil der UNO-Praxis, keine Soldaten eines Landes in ein zweites zu entsenden, wenn zwischen beiden schwierige Beziehungen herrschten.

Butros Ghali begrüßte auch das Angebot der Bundesregierung, 1.500 Soldaten nach Somalia zu entsenden und beim Neuaufbau der Polizei zu helfen. Auf die Frage, ob dieses Angebot ausreiche, meinte der Generalsekretär, man brauche sicherlich mehr. Berichte, die Bundesregierung habe auf ihn Druck ausgeübt, um sein Hilfeersuchen zu erlangen, wies Butros Ghali zurück. Er meine seine Forderungen ernst.

Zuvor hatten Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und Außenminister Klaus Kinkel (FDP) mit dem Generalsekretär gesprochen. Kohl sagte, es stehe für ihn außer Frage, daß Deutschland sowohl seine Rechte als UN-Mitglied wie auch seine Pflichten wahrnehmen müsse. Kinkel bekräftigte seine Position, daß die Bundesrepublik sich noch nicht an militärischen Einsätzen beteiligen könne. Die Koalition strebe aber eine Verfassungsänderung an, die die Teilnahme an Blauhelm- und Kampfeinsätzen ermögliche. In Bonn wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Deutschland schon heute der drittgrößte Beitragszahler der UNO sei. Während Butros Ghali Militäreinsätze außerhalb des UNO-Rahmens ausdrücklich verurteilte, bekräftigte die CDU gestern ihre Forderung, deutsche Soldaten auch an Kampfeinsätzen der Nato und der Westeuropäischen Union (WEU) zu beteiligen, die nicht vom Weltsicherheitsrat gedeckt seien. Selbst Einsätze wie die seinerzeitige französische Intervention im Tschad könnten „im deutschen Interesse“ sein, meinte der außenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Karl Lamers. Ein Gewaltmonopol der UNO gebe es nach der UNO-Charta nicht. Nach Ankündigung ihres Bundesgeschäftsführers Blessing wird die SPD die Einladung zu dem für Mittwoch geplanten Gespräch mit der Koalition über die künftige Rolle der Bundeswehr nicht annehmen. Hmt