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Verfassungsklage gegen Haushalt

■ FDP sieht durch Praxis Rechte des Parlaments beschnitten

Berlin. Seit Jahren ist der Berliner Landeshaushalt nicht ausgeglichen, übersteigen die Ausgaben die Einnahmen. Und seit Jahren wird zu dem gleichen Trick gegriffen, um diesen eigentlich ungesetzlichen Zustand zu beheben. Bei der Verabschiedung werden in den Haushalt sogenannte „pauschale Minderausgaben“ eingerechnet. Den Senatoren wird damit anheimgegeben, ihre jeweiligen Etats im nachhinein zu kürzen, um die Bilanz wieder auszugleichen. Die Entscheidung über das Wo und Wie bleibt dabei ihnen überlassen.

Dieses Verfahren wurde bislang allseits geduldet, doch jetzt hat nach Ansicht der FDP die Große Koalition den Bogen überspannt. Denn im Landeshaushalt 1993 stiegen die pauschalen Minderausgaben auf eine Milliarde Mark, rund 2,3 Prozent der Gesamtsumme. Das sind 130 Prozent mehr als in den Jahren zuvor. Die Liberalen wollen dagegen vor dem Landesverfassungsgericht eine Organklage einreichen. Ihr Klagevertreter Peter Raue rechnet sich gute Chancen aus, denn immerhin ist nach seiner Ansicht ein „kardinales Verfassungsrecht“ der Abgeordneten dadurch verletzt. Denn ihnen obliegt es, den Haushalt in allen seinen Einzelposten festzulegen. Dieses „Budgetrecht“ wird nach Raues Ansicht dadurch ausgehöhlt, daß mit den pauschalen Minderausgaben den Senatoren aufgegeben wird, „nach Gutdünken wieder streichen (zu) müssen“. Damit stünden sämtliche vom Parlament beschlossenen Einzelansätze unter dem Vorbehalt der Kürzung. Wie FDP-Vorsitzende Carola von Braun gestern verdeutlichte, hat dies zur Konsequenz, daß jede vom Land finanzierte Einrichtung noch während des laufenden Haushaltsjahres damit rechnen muß, daß Mittel gestrichen werden.

Zudem wird nach Raues Ansicht der Grundsatz der Haushaltsklarheit und -wahrheit verletzt, denn die pauschale Minderausgabe gewährleiste keinen lückenlosen und geschlossenen Überblick über die Finanzentwicklung des jeweiligen Jahres. Der Anwalt rechnet bis September mit einem Spruch des Verfassungsgerichts. Der laufende Haushalt würde deshalb nicht mehr geändert, denn nach einem Spruch des Bundesverfassungsgerichts sind auch rechtswidrig verabschiedete Haushalte wirksam. Allerdings müßten ab 1994 sämtliche Kürzungen bereits während der Beratungen in den Etat eingearbeitet werden. Nach Raues Einschätzung kommt dem Richterspruch grundsätzliche Bedeutung zu, denn obgleich im Haushalt des Bundes und der Länder die pauschale Minderausgabe lediglich 0,3 bis 0,6 Prozent beträgt und deshalb bislang toleriert wurden, wäre auch sie dann verfassungswidrig. Dieter Rulff

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