: „Verpflichtung für den Stern“
■ Mercedes-Benz zeigt in der Rathaus-Halle selbstbewußt sein „Umwelt Forum“
Wer seine Vorurteile mal so richtig gründlich durchschütteln lassen will, hat Gelegenheit dazu bei der aufwendig gemachten Ausstellung „Umwelt Forum“ der Mercedes-Benz AG, gestern mit allerlei Konzern-Prominenz und anschließendem Empfang mit Umweltsenator Ralf Fücks eröffnet in der Unteren Rathaushalle.
BesucherInnen kommen herein und sind schlagartig angeguckt und angesprochen von zahllosen netten Damen, Herren und Kindern in Anzug, Uniform, Lederschürze, Blaumann, Jeans, Ausgehkleid. Die sind alle lebensgroß und aus Pappe, stehen in Reihen und fragen und reden. Denn die bei Daimler kennen die Fragen und Zweifel der Menschen natürlich genau: ausgerechnet Autobauer und Umweltschutz!
Mit gläsernen Motoren, mit rostigen und glänzenden Innereien zum Anfassen, mit Videofilmen und Texttafeln soll die Ausstellung zeigen: Umwelttechnik findet bei Mercedes statt in der Entwicklung, der Produktion, und im Recycling. Vorstands-Vorsitzender und Bremer Ehrendoktor Prof.
Sie kommen rein, und diese Menschen sprechen Sie an. Foto: T. Vankann
Werner Niefer: „Wir haben auch eine Verpflichtung für den Stern, auf dem wir leben.“ Unbestreitbar, daß man bei Mercedes die Zeichen der Zeit erkannt hat. Die übergroße Zeitung auf Umweltschutzpapier könnte seitenweise von den Grünen kommen, in Vokabular und Themen. Da geht es ganz tabufrei um Ozonloch und Recycling, Verkehrskollaps und Waldsterben, um alternative Energien aus Biomasse, Müll, Wind, Wasser, Sonne, um Technikfolgen und Verkehrsleitsysteme. Die Umweltschutz-Bevollmächtigten haben im Konzern „uneingeschränktes Informations-, Einsichts- und Vorschlagsrecht“.
„Kaum zu glauben, wieviel Sand man zum Bau eines Autos braucht“, staunt Herr Meier aus Pappe in der Ausstellung: Die Guß-Formen für Rohre, Gehäuse, Zylinderköpfe usw. sind nämlich aus Sand, und „eigentlich bräuchten wir täglich 74 schwere Lastwagen. Da wir aber den Sand laufend wiederverwenden, genügt ein einziger.“ Das Recycling von Produktionsabfällen und Altautos funktioniert mit Sortieren. „Hat Mercedes-Benz ein zwiespältiges Verhältnis zum Kunststoff“, fragt ein Papp-Student. Und erfährt: Nur noch recyclingfähige Kunststoffe werden verwendet, und möglichst wenig Sorten. Die Teile werden mit Nummern gekennzeichnet — für sortenreine Wiederverwer
3 Arbeiter
tung. Die technische Konzeption für „metallurgisches Recycling“ steht, gesucht wird jetzt ein Standort für die Pilotanlage. Und so geht es weiter, interessant und bunt, zum umweltfreundlichen Autofahren, zu FCKW und Lack-Lösungsmitteln, zur Erforschung von Jute und anderen Pflanzen im
Amazonas-Gebiet als PKW-Baustoff und für Farben. 960.000 Mark hat die Ausstellung gekostet, 100.000 kosten die 14 Tage Bremen. Ist es deprimierend für einen „Umweltbevollmächtigten“, so viel Know-How, technische Rafinesse und finanzielle Potenz ausgerechnet in Autos gesteckt zu wissen? Claus Razim zur taz: „Autos können nicht umweltfreundlich sein, das wäre Lüge. Aber wir können die Belastung gering halten. Und den Menschen ausreden, mit Autos leben zu wollen, das können Sie nicht.“ Susanne Paas
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