VW auf Schleuderkurs

■ Aufsichtsrat zieht Personalabbau vor Droht neuen Ostwerken das Aus?

Berlin (taz) – In den Vorstandsetagen der deutschen Autobauer jagt eine Krisensitzung die andere. Bis in den späten Abend hinein brütete am Mittwoch der Aufsichtsrat des Wolfsburger Volkswagen-Konzerns über dem Sanierungskonzept des neuen VW-Vorstandschefs Ferdinand Piech. Was am Ende dabei herauskam, behielt das Kontrollgremium des größten Autoherstellers in Europa erst mal für sich.

Lediglich der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder ließ Einzelheiten durchsickern: bei der Volkswagen AG soll der bereits angekündigte Abbau von 12.500 Arbeitsplätzen bis 1994 vorgezogen, aber weiterhin über Fluktuation, Vorruhestandsregelungen und Aufhebungsverträge bewerkstelligt werden.

Doch dabei allein blieb es nicht. Die Investitionen – insgesamt 75,8 Milliarden Mark, davon 45,3 Milliarden für den Automobilbau der vier Marken VW, Audi, Seat und Skoda – werden bis 1997 gestreckt. Daß davon vor allem die neuen Standorte in Böhmen und vor allem in Zwickau und Chemnitz betroffen sein werden, liegt auf der Hand. Der Aufbau im Osten, so formulierte es Gerhard Schröder, dürfe schließlich nicht auf Kosten der Arbeitsplätze im Westen gehen. So meldete denn auch eine Kasseler Regionalzeitung, die Aktivitäten an den beiden ostdeutschen Standorten würden auf dem jetzigen Stand eingefroren, die für 1994 vorgesehene Inbetriebnahme der neuen Werke auf 1997 aufgeschoben. Auch die Investitionen für ein Getriebewerk in Bratislava werden erst mal gestoppt.

Doch aufgeschoben ist vielleicht bald schon aufgehoben, denn aus dem deutschen Autolaufwunder ist inzwischen ein Sanierungsfall geworden. Allein die Volkswagen AG soll laut früheren Pressemeldungen mit ihrem Autogeschäft in diesem Jahr einen Verlust von über einer Milliarde Mark einfahren. Zu den einbrechenden Absatzzahlen muß sich der völlig verschuldete Konzern zudem mit strukturellen Problemen herumschlagen: VW, Nummer vier der Autowelt, erwirtschaftet umgerechnet auf die Mitarbeiter nur drei Viertel des Umsatzes seines Erzkonkurrenten Opel. Hinzu kommte eine ganze Latte von hausgemachten Fehlern und Versäumnissen.

Ferdinand Piech muß also zunächst auf die Kostenbremse treten, will er das Steuer noch herumreißen. Nicht zuletzt deshalb hat der ehrgeizige Audi-Sanierer, dem „viel Benzin im Blut“ nachgesagt wird, an der Spitze des Eisberges zum Schlag angesetzt. Die erwarteten umfassenden Personalentscheidungen, die fünf der neun VW-Vorständler den Kopf kosten sollten, wurden laut Konzernangaben vom Aufsichtsrat aber nicht vollzogen. Vor der Sitzung waren auch Planzahlen kursiert, nach denen VW bis Ende 1994 30.000 seiner weltweit 273.000 Beschäftigten abbauen werde – bestätigt wurden sie allerdings nicht. Vielleicht läßt Piech bei der nächsten Gelegenheit die Katze aus dem Sack. Erwin Single