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Das Comeback von Renoir

Das russische Eistanzpaar Usowa/Schulin befreite sich bei den Europameisterschaften in Helsinki von einem langjährigen Fluch  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Maia Usowa und Alexander Schulin hatten es schwer in den letzten Jahren. Stets waren ihre Eistanzdarbietungen von höchster Qualität, doch gegen das überschäumende Temperament der Geschwister Duchesnay und die laszive Melodramatik von Marina Klimowa und Sergej Ponomarenko standen sie mit ihrer kühlen, klassischen Eleganz von vornherein auf verlorenem Posten. „Wir sind Picasso, sie sind Renoir“, hatte Isabelle Duchesnay einmal über Klimowa/Ponomarenko gesagt. Für Usowa/Schulin fiel kein künstlerisches Etikett ab, obwohl ihnen etwa ein Andrei Rubljow gar nicht übel angestanden hätte.

Publikum und Preisrichter betrachteten das Moskauer Paar stets als angenehme Vorgruppe für das große Duell der Eislaufideologien, das die Franzosen und die Leningrader beharrlich miteinander ausfochten. Usowa/Schulin bekamen höflichen Beifall und gute Noten, aber auch nicht so gute, daß nicht noch Luft nach oben gewesen wäre. Am Ende bekamen sie die Bronzemedaille und lächelten ebenso tapfer wie unbemerkt vom Treppchen, während alle Welt darauf lauerte, ob und wie sich die beiden anderen Pärchen gegenseitig gratulieren würden.

1993 aber ist alles anders. Die Duchesnays und Klimowa/Ponomarenko sind zu den Profis abgewandert und bei den Europameisterschaften in Helsinki stand der Eistanz ganz im Zeichen von Maia Usowa und Alexander Schulin. Schon in Pflicht und Originalprogramm setzten sie sich souverän an die Spitze und bei der Kür begeisterten sie die 7.000 Zuschauerinnen und Zuschauer in der erstmals ausverkauften Eishalle mit einem großen Schritt in Richtung Renoir, einem erotischen Blues, der ihnen zweimal die Höchstnote 6,0 brachte – eine Bewertung, die die Preisrichter in den Zeiten der Duchesnays kaum gewagt hätten. Oksana Gritschuk und Ewgeni Platow, ebenfalls aus Rußland, blieb nur die Silbermedaille, während Susanna Rahkamo und Petri Kokko zur völligen Begeisterung des Publikums auf den dritten Platz liefen und damit die erste Medaille für Finnland in der Europameisterschaftsgeschichte holten.

Auch nach dem Zerfall der UdSSR war die alte Übermacht nicht gebrochen. Von zwölf Medaillen gingen fünf an Rußland und zwei an die Ukraine, darunter alle goldenen, außer der bei den Damen, die nach alter Gewohnheit die Französin Surya Bonaly einheimste. Die Männer-Konkurrenz hatte überraschend der Ukrainer Dimitri Dimitrenko gewonnen, der sich über seinen Sieg allerdings nicht sonderlich freuen konnte: „Die Situation in der Ukraine läßt einen nicht mehr lachen.“

Im deutschen Team war man glücklich über eine recht erfolgreiche EM und besonders über das Silber des Paares Wötzel/Steuer und die Bronzemedaille von Marina Kielmann, deren Freude allerdings eine herben Dämpfer bekam. Ihr italienischer Freund Gianni Satori wurde in Helsinki festgenommen und soll an die Schweiz ausgeliefert werden, wo ihm eine zweijährige Gefängnisstrafe wegen Drogenhandels droht. Die Fahnder hatten ihn im Fernsehen im Publikum erspäht.

Über allem schwebte der Schatten von Katarina Witt, die ihr Comeback angekündigt hat. „Das ist, als nähmen die Beatles eine neue Schallplatte auf“, sagte Marina Kielmann. Oder, als griffe Auguste Renoir wieder zum Pinsel. Schließlich liebäugeln auch Klimowa/Ponomarenko und die Duchesnays mit einer Rückkehr zu den Amateuren. Maia Usowa und Alexander Schulin hören es mit Grausen.

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