Eberfleisch stinkt legal

■ Tierische Gerüche von der Pizza: anrüchiges Eberfleisch EG-weit

Eberfleisch stinkt legal

Tierische Gerüche von der Pizza: anrüchiges Eberfleisch EG-weit

Pizza mit Wurstbelag kann im vereinten europäischen Binnenmarkt so manchem Verbraucher gründlich den Appetit verderben. Stammen die Wurstscheiben nämlich von Eberfleisch, könnten sie beim Erwärmen genüßlich einen üblen Geruch ausbreiten. Die EG- Richtlinie über Frischfleisch erlaubt seit dem 1. Januar, Fleisch von Ebern auf den Markt zu bringen.

„Solange Eberfleisch kalt verarbeitet wird, stinkt es nicht. Wer sich aber aus dem Mett einen Strammen Max brät, der rennt aus der Küche“, warnt Professor Erhard Kallweit vom Institut für Tierzucht in Mariensee (Landkreis Hannover). Verantwortlich für den urinartigen Geruch ist nach Untersuchungen der Universität Hohenheim das Geschlechtshormon Androstenon. Der penetrante Geschlechtsgeruch werde von Rasse und Jahreszeit beeinflußt.

Die EG-Richtlinie wischt den Gestank vom Tisch: Tiere mit einem Schlachtgewicht von bis zu 80 Kilogramm werden generell als geruchsfrei definiert. Kontrollen auf möglichen Ebergeruch werden nicht verlangt. Sollte bei Stichproben streng riechendes Fleisch auch von Tieren unter 80 Kilogramm festgestellt werden, ver

Schwein

Eber, lebend am nettesten

liert es im Bürokraten-Jargon seine Verkehrsfähigkeit.

Ob das Fleisch stinkt oder nicht, stellt sich jedoch erst in der Pfanne des Verbrauchers heraus. Bisher war Fleisch von Ebern über 85 Kilogramm Gewicht in der Bundesrepublik generell minderwertig und kam zur Freibank. Tiere zwischen 40 und 85 Kilogramm konnten tauglich sein, wenn sie nicht als Frischfleisch vermarktet wurden.

–Produzenten und Verbraucher wurden bei den Beratungen zu dieser Richtlinie nicht gehört“, kritisiert der Vorsitzende des Brüsseler Ausschusses Schweinefleisch, Wilhelm Niemeyer. Den Schweinezüchtern in der Bundesrepublik konnte seiner Ansicht nach –nichts Schlimmeres“ passieren. Seit Jahren hätten bundesdeutsche Erzeuger Marktanteile vor allem an Dänemark und Holland verloren. Rund 20 Prozent des Schweinefleisches an bundesdeutschen Fleischtheken stammt aus diesen Ländern. Ausgerechnet Dänemark hatte sich in der EG für die Ebermast stark gemacht.

Erste Versuche des Instituts für Fleischerzeugung in Kulmbach ergaben einen eindeutig positiven wirtschaftlichen Effekt der Ebermast. Bei Tieren bis zu 85 Kilogramm sind es danach bis zu 15 Mark, bei schwereren bis zu 35 Mark Plus für den Erzeuger. Eber zeigen außerdem eine bessere Futterverwertung, einen höheren Fleischanteil bei geringerem Fettanteil. Schließlich produzieren die Tiere weniger Gülle und belasten damit weniger die Umwelt.

–Die Vorteile sind kurzfristiger Natur, denn langfristig schadet das Stinkefleisch dem Image und führt zu einer weiterhin sinkenden Nachfrage nach Schweinefleisch“, befürchtet Niemeyer. Noch lehne das Bundesgesundheitsamt die Einfuhr von Eberfleisch ab. Doch diese Entwicklung läßt sich nach Einschätzung Niemeyers höchstens ein halbes bis ein Jahr aufhalten. Die Frist könnte jedoch ausreichen, um ein in Hohenheim entwickeltes Untersuchungsverfahren auch auf Kontrollen in Schlachthäusern auszudehnen und in der EG durchzusetzen. Petra Häussermann / dpa