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SanssouciNachschlag

■ Zilles "Hurengespräche" im Zosch-Keller

Bollenguste hat ihren Maxe kastriert – weil der fremdging und trank, während Guste arbeiten mußte. Guste ist Nutte und steht an der Berolina auf dem Alexanderplatz. Jetzt ist Maxe „een jemachter Mann“ – als „Ali Osman Mohamed“ sitzt er im anatomischen Kabinett. „Alles klotzt sein Bild an un kooft sein Bild.“ Sagt Bollenguste, die weiter auf dem Alex steht.

Fünf Huren aus der Jahrhundertwende bei Regen in einem „Bouillonkeller“ im Scheunenviertel. Sie erzählen sich Geschichten, und zwar die eigenen: Die Schauspielerin Christine Rothacker hat eine exzellente kleine Truppe zusammengesucht, um Heinrich Zilles semidokumentarisches Fragment „Hurengespräche“ in einer eigens erarbeiteten Bühnenfassung aufzuführen, im Jazzkeller einer Kneipe in der Tucholskystraße. Die Inszenierung, eine Low-Budget-Produktion in der Regie von Helma Fehrmann, balanciert die Ambivalenz der Vorlage präzise aus. Es ist der Produktion kaum anzumerken, daß das Budget, das dafür zur Verfügung stand, extrem niedrig war. Aus den lose aneinandergereihten Erzählungen wird eine Mini-Variante des Sängerstreits: Wettbewerb des Elends bei Brühe und Klunschbrot. Der Zosch-Keller, den die Schauspielerinnen für ihr Stück ausgesucht haben, ist in direkter Nachbarschaft zur Oranienburger Straße: Um auf die Parallelen hinzuweisen, hätte es des aktuellpolitischen Textes („Peep-Panorama“ von Desirée Nick) nicht bedurft, den die Schauspielerinnen in Zilles Aufzeichnungen eingefügt haben.

Die grauslig-zotigen Berichte, bis direkt an die Ekelgrenze, präsentieren Fassade: Selbstdarstellung der Huren, Sympathiehascherei zum Zeitvertreib; je nach Temperament ironisch und spitz oder sentimental zu dezenter Klavierbegleitung vorgetragen. Hurenlieder, ein paar Brecht-Balladen und derbe Tänze unterbrechen den Redefluß oder verbinden die Bruchstellen in Zilles Text; Theater im Theater, bei dem jeder Monolog eine eigene Inszenierung ist, die von den Zuhörerinnen am runden Bühnentisch ziemlich gnadenlos kommentiert wird.

„Fraß macht warm, und Geld macht sinnlich“, verkündet Bollenguste mit Bert Brecht. Die Ostberliner Schaupielerin Claudia Jacob spielt virtuos den Part einer abgeklärten Frau in mittleren Jahren, die ihren Job bei der Mutter gelernt hat: ein bißchen verrucht, ganz unsentimental und illusionslos. Obwohl auch Guste eine mit Kalauern durchsetzte Show abzieht, wird an ihrem Monolog klar, wie dünn die Oberfläche selbst bei den Frauen ist, die in Zilles Stück tränenarm agieren. Friederike Freier

Weitere Vorstellungen: 21.-24. und 28.-31. Januar, 4.-7., 11.-14. und 18.-21.Februar, jeweils 20 Uhr in der Tucholskystraße 30, Kartenvorbestellung unter Tel. 6942787, täglich 14-18.00 Uhr

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