: Arbeit gegen den Unmut
■ INDIGO, ein neuer unabhängiger Plattenvertrieb, versucht den Spagat, zwischen effektiver Arbeit und individueller Betreuung
, ein neuer unabhängiger Plattenvertrieb, versucht den Spagat zwischen effektiver Arbeit und individueller Betreuung
Ob EFA, SPV, SEMAPHORE, FIRE ENGINE oder RTD - niemand interessiert sich beim Plattenkauf für diese kleingedruckten Kürzel und Spezialausdrücke in der unteren oder oberen rechten Ecke von CD- und LP-Hüllen. So ist es nur mäßig sensationell, daß der Name INDIGO ebenfalls und ab sofort dort auftauchen könnte. Mit hoher Wahrscheinlichkeit an Stellen, wo zuvor EFA, Abkürzung für den prachtvollen Namen Energie für Alle, vermerkt war. Die Rede ist von Vertrieben mit dem Schwerpunkt sogenannter Independent-Musik. Und für die oben erwähnten, etablierten Verteiler bedeutet der neue Hamburger Vertrieb INDIGO neue Konkurrenz.
Vor allem für die EFA. Denn aus der Nord-Filiale dieses bundesweiten Unternehmens, das Anfang der Achtziger im Zuge einer damals erfolgreichen deutschen Musik-Szene aus einem Zusammenschluß mehrerer kleiner Plattenfirmen als erster Indie-Vertrieb an den Start gegangen war, hatten sich Ende '92 die drei jetzigen Träger von INDIGO ausgeklinkt. Dabei war nicht so problematisch, daß Nikel Pallat, der früher selbst bei Ton Steine Scherben als Musiker arbeitete, Jörn Heinecker und Albrecht Boehm ihre Anteile verkauften. Mehr Sorgen macht es der EFA, daß gleich 14 Plattenlabel mit zu INDIGO überwechselten. Mit eingeführten Firmen wie Normal, Zensor, Trikont, Constrictor, 45, What's so funny about, Exil oder Strangeways wechselten eben auch Platten von Bands, Musikern und Musikerinnen wie Beasts of Burdon, Ringsgwandl, Dinosaur Jr., Christian Death, Cosmic Psychos, Blumen am Arsch der Hölle, Ivan Krahl, Blumfeld, Swell, Phillip Boa, Katrin Achinger, Gregory Isaacs, Yellowman, Dissidenten, Fo-
yer des Arts und Ton Steine Scherben ins neue Lager über. Rechtsgeplänkel zwischen den Parteien ist die Folge.
Kein Mensch darf nun annehmen, bei der EFA seien die Regale leergeräumt. Das Gegenteil ist der Fall und Anlaß für Kritik, die in der beschriebenen Auseinandersetzung am schwersten wiegt. Schon lange wird großen Musik-Vertrieben mit einer Struktur wie bei der EFA vorgeworfen, sie seien mit zuvielen Labeln beschäftigt. Vertriebe neigen aber dazu, die Produkte vieler Labels ins Programm zu nehmen. Um so höher ist die Wahrscheinlichkeit, mit einzelnen Platten Erfolg zu haben. Gleichzeitig wird der Apparat größer und es sammelt sich Unmut bei Labeln, Musikern und Musikerinnen, die ihrem eigenen Durchbruch harren.
Ein Teufelskreis, dem die Betreiber von INDIGO entgehen wollen, indem sie sich beschränken. Nur bis zu 20 Labeln sollen vertreten werden, mit nur ungefähr 20 Neuerscheinungen monatlich. Ein
Klacks, verglichen mit bis zu 150 monatlichen Neuheiten bei der EFA. Allerdings tragen die wenigen Produkte im Falle der Firma INDIGO natürlich wesentlich mehr finanzielle Verantwortung. Zudem sollen die CD-Preise bei Newcomern niedrig gehalten werden, eine gesonderte Aktion namens „Vinyl Chain“ will der Schallplatte bundesweites Gnadenleben in etwa 100 barmherzigen Geschäften ermöglichen und eine kostenlose Zeitung wird monatlich herausgegeben.
Ein Paradies mit Kosten. Bei INDIGO wird nun auf enge Zusammenarbeit mit den Produzenten, Künstern und Künsterinnen gesetzt. „Es ist unsinnig, etwas zu einer Platte zu sagen, wenn sie bereits fertig auf dem Tisch liegt“, erklärt Jörn Heinecker die Position des Vertriebes. Mehr als gewohnt, wird die Firma zwangsläufig Einfluß auf das „Ja“ oder „Nein“ zu unsicheren Veröffentlichungen nehmen müssen. Oder das Programm erweitern. Tobias Levin
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