Staatsbegräbnis für das Asylgrundrecht

Bei der ersten Lesung des neuen Asylrechts im deutschen Bundestag zeigten sich neue Bündnisse und alte Argumentationsmuster/ SPD gespalten, FDP mit Dissidenten  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Der Staatsakt für die dreißjährige deutsch-französische Freundschaft zeigte einen überaus selbstzufriedenen Kanzler, das Staatsbegräbnis für das Asylrecht bestritten die Parlamentarier derweil eher pflichtgemäß als schwungvoll. Die erste Lesung des Bundestags zum neuen Grundgesetzartikel 16a lieferte keine spannende Debatte. Nicht nur in den Argumenten, auch im Ablauf wiederholten sich längst bekannte Muster.

Ganz früh am Morgen demonstrierte eine Handvoll Aufrechter im vorgesehen Abstand zum Ort des Geschehens noch einmal für den Erhalt des alten Artikel16. PDS und Bündnis 90/Grüne verlangten mehr Zeit, als die geplanten zwei Stunden.

Aus der Bundesregierung traten der christdemokratische Innenminister und die liberale Justizministerin an. Aus den Ländern waren die Innenminister aus Bayern und Nordrhein-Westfalen dabei – weder für Edmund Stoiber (CSU) noch für Heribert Schnoor (SPD) der erste Auftritt zu diesem Thema.

Nur die Fronten war neu. FDP, Union und SPD haben gestern einen gemeinsamen Entwurf für den neuen Artikel16a eingebracht, mit dem ein Streit beendet werden soll, dessen Beginn Stoiber auf das Jahr 1978 datierte. Damals waren erstmals mehr als 100.000 AsylbewerberInnen in die Bundesrepublik gekommen, und die CSU hatte begonnen, für die Revision des Asylrechts zu trommeln. Der bayerische Innenminister hatte, auch das nicht gerade eine neue Idee, einen sozialdemokratischen Kronzeugen parat, um zu beweisen, daß seine Partei eben schon immer recht gehabt habe.

Der FDP-Abgeordnete Hans- Joachim Otto zitierte zwecks sozialdemokratischer Belehrung übrigens Herbert Wehner.

Die SPD, die im letzten Jahr Attacken dieser Art ständig ausgesetzt war, trat planmäßig und absichtsvoll mit zwei Meinungen auf. Während Schnoor und der Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Klose für den gemeinsamen Antrag warben, sprach der Sprecher des linken Frankfurter Kreises, Detlev von Larcher, für die andere Meinung in der Sozialdemokratie. Wie sehr die SPD von der innerparteilichen Auseinandersetzung um das Asylrecht noch gezeichnet ist, ließ auch die Rede des Fraktionschefs erkennen.

Gleich am Anfang kündigte Klose an, daß „eine nicht kleine Minderheit der eigenen Fraktion der beabsichtigten Änderung des Grundgesetzes nicht zustimmen kann“. Und weiter: „Ich betone an dieser Stelle, daß ich die Haltung dieser Kolleginnen und Kollegen nicht nur verstehe, sondern respektiere.“ Nur mit äußerst knapper Mehrheit, mit 80 Ja- und 63 Nein-Stimmen, hatte sich die Fraktion in dieser Woche dafür entschieden, den Gesetzentwurf mit einzubringen. Zu den 15 Enthaltungen gehörte der Ex-Partei- und Fraktionsvorsitzende Hans-Jochen Vogel.

Die eigenen Reihen dürfte Klose auch im Blick gehabt haben, als er in seiner Rede anmahnte, daß zum Parteienkompromiß mehr als die Grundgesetzänderung gehört. Vor allem will die SPD die Vereinbarungen mit Polen kennen, bevor die Grundgesetzänderung besiegelt ist. Herbert Schnoor ließ in diesem Zusammenhang sogar das Wort von Vermittlungsausschuß fallen, der nur gefragt sein wird, wenn sie im Bundesrat die SPD-Mehrheit verweigert.

„Ich bin sicher, die übergroße Mehrheit würde nein sagen.“ Detlev von Larcher meinte die Delegierten des Sonderparteitags der SPD, der im November mühselig zu einem Kompromiß im Asylstreit gefunden hatte. Unter Berufung auf Demonstrationen und Lichterketten bestritt von Larcher die vor allem von den Rednern der Koalitionsfraktionen immer wieder bemühte These, die Bevölkerung wolle eine Grundrechtsänderung.

Dissidenten von der Mehrheitsmeinung hat auch die FDP. Während die Befürworter aus der SPD betonten, sie hätten sich die Entscheidung „schwer gemacht“, legte die liberale Justizministerin Wert darauf, daß der Sinneswandel ihr „nicht leicht gefallen sei“. „Es ist beschämend“, sagte dagegen Konrad Weiß für das Bündnis 90/Grüne, „daß über einen solchen Entwurf überhaupt debattiert wird.“

Ulla Jelpke (PDS) schlug vor, die fünf Absätze des Artkels16a „einfacher und ehrlicher“ wie folgt zu übersetzen: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht, falls sie es schaffen, in unser Land zu kommen. Das aber werden wir mit allen Mitteln verhindern.“