: Und wie war das damals in Bremen?
■ Auf den Spuren der Jüdischen Kulturkommission in Bremen
Wer nach dem Besuch der Ausstellung „Jüdischer Kulturbund“ wieder auf dem Bahnhofplatz steht, hat noch ein paar Fragen offen: „Was haben die jüdischen KünstlerInnen in Bremen ab 1933 gemacht? Gab es in Bremen einen Zusammenschluß der jüdischen KünstlerInnen?“
„Es gab!“, ist die Antwort auf die letzte Frage: Eine „Kommission für kulturelle Angelegenheiten“ , die zu jüdischen Gemeinde gehörte. Die Gemeinde, die ihre Eigenständigkeit auch politisch gegenüber dem „Preussischen Landesverband der jüdischen Gemeinden“ behaupten wollte, verhielt sich im kulturellen Bereich entsprechend: „Eigenständigkeit“ und „Initiative“ sollten der hiesigen Kommission bewahrt werden, so erinnerte sich der letzte Vorsteher der Gemeinde, Max Markreich, aus dem Exil. Deshalb wollte man mit dem Kulturbund zwar zusammenarbeiten, ihm aber nicht beitreten.
Veranstaltungsprogramme, Planungsentwürfe und Selbstdarstellungen dieser Kultur-Komission sind allerdings in Bremen ebensowenig erhalten, wie eine Übersicht über ihre Veranstaltungen. Die wenigen erhalte
Haus der Union-Kaufmannsgesellschaft, Wachtstr. 9/13. Hier hielt die jüdische Gemeinde bis 1936 Versammlungen abFoto: Staatsarchiv
nen offiziellen Dokumente berichten nur sachlich über die Aktivitäten der Kultur-Kommission — sie unterlagen der Zensur.
Aus Erinnerungen von Gemeindemitgliedern im Exil läßt sich entnehmen, daß im Jahr 1933 lediglich zwei Morgenfeiern stattfanden.
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Das sechsteilige Winterprogramm, das die Kultur-Kommission organisierte, begann im Herbst 1934 mit einem musikalischen Abend. Im kleinen Saal des Union-Hauses versammelte man sich dazu am 5. November. Hertha Kahn, Violinistin, und Ilse Urias aus Hamburg waren dafür mit dem Berliner Dichter Edward Moritz angereist. Bereits am 2. Dezember folgte ein Vortrag von Ludwig Hardt, einem prominenten Berliner Kabarettisten. Enttäuschend verlief die dritte Verantaltung am 14. Februar: zu wenige Leute waren gekommen, um den (auswärtigen) Geiger Stefan Frenkel zu hören. Mit einer Maimonides- Feier am 21. April wurde die Reihe beendet.
Für die nächste Saison im Herbst 1935 hatte die Gemeinde weitere Aktivitäten geplant. Wie in der vorangegangenen Saison wurden Wertmarken verkauft, in denen alle sechs Veranstaltungen abonniert werden sollten. Angesichts der Finanznot, beschloß man, die Veranstaltungsreihe ohne Zuschüsse seitens der Gemeinde durchzuführen. Da der letzte noch vorhandene Gemeindebericht aus dem Jahr 1936 stammt, sind die weiteren Aktivitäten der Kultur-Kommission nicht dokumentiert.
Auch die Frage, inwieweit die jüdischen Kulturschaffenden, die bis zum Berufsverbot an städtischen Einrichtungen angestellt waren, sich darin engagiert haben, bleibt offen. Ihre Einzelschicksale sind nur bruchstückhaft bekannt. Max Markreich erwähnt fünf Namen jüdischer KünstlerInnen am Stadttheater.
Da gab es den 29jährigen Ludwig Frank . Er wurde am 10.11.1938 verhaftet, weiteres ist nicht bekannt. Am gleichen Tag verhaftet wurde der Opernsänger Walter Spiro. Ihm gelang die Emigration 1939 nach England. Nach der Kündigung aller jüdischen Theaterangestellten im Juni 1933 schlug er sich als Handelsvertreter für Kaffee durch das Leben. Dieses Schicksal teilte er mit seinem Kollegen Willy Birkenfeld. Birkenfeld war von 1914 bis 1933 als Tenorbuffo am Stadttheater beschäftigt und beim Publikum sehr beliebt. Aus einem Schreiben des Staatsarchivs von 1963 geht hervor, daß die ständigen Besucher des Theaters über seine Entlassung empört waren. Dem Künstler hat das nichts genützt. Bis zum 15.11.1938 arbeitete er als Vertreter. Der Boykott gegen jüdische Geschäftsinhaber zwang ihn zur Aufgabe. Am 31.1.1939 starb der Sänger in der Geestemünderstrasse 22. Ein weiterer Schauspieler und Opernsänger, Oskar Platz, verstarb 60jährig in Hannover. Das Schicksal der Sängerin Lea Gschwind ist unbekannt. Eva Rhode
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