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Der Kanal ist voll...

■ ...oder: Wieviel Nachrichten verträgt der Mensch?

Neidisch hatten öffentlich- rechtliche und private Senderverantwortliche vor zwei Jahren auf den Welterfolg des US-News-Riesen CNN geblickt: Spätestens seit die Wüstensturmberichte der Info- Amis für hohe Einschaltquoten sorgten, gelten Nachrichtensendungen auch bei deutschen Fernsehmachern als Marktlücke. Daß Ted Turners CNN sich gerade im Golfkrieg instrumentalisieren ließ für einen angeblich so sauberen Krieg, daß er zum Sprachrohr für Regierungspropaganda verkam, davon wollten viele Nachrichtenbegeisterte nichts wissen.

CNN war zweifellos die Initialzündung für eine ganze Welle neuer Sender. Als erster deutscher Nachrichtenkanal ging n-tv im November 1992 ins Rennen. Doch mit drögen Moderationen, schwachen Texten, beliebig zusammengeschnipselten Bildteppichen und endlosen Selbstdarstellungen in Interviewform erreicht der Berliner Sender bislang nur eine verschwindend geringe Zuschauerzahl. Da half den Kanalarbeitern Karl-Ulrich Kuhlo, der von Bild am Sonntag und Sat.1 zu n-tv kam, und Chefredakteur Peter Staisch, der als schalumwickelter Washington-Korrespondent der ARD bekannt wurde, bislang auch der Einstieg von CNN Mitte Dezember wenig.

Auch die mehrsprachigen „Euronews“ versuchen seit Anfang dieses Jahres weitgehend vergeblich, zu öffentlicher Bekanntheit zu gelangen. Branchenkenner sehen in dem Projekt der europäischen Rundfunkunion ohne deutsche Beteiligung und mit gesamteuropäischer Einrichtung ohnehin eine Totgeburt für den bundesrepublikanischen Medienmarkt.

Die ARD ringt indes darum, Eins plus in ein Informationsprogramm mit kulturellem Schwerpunkt umzuwandeln. Doch die finanzielle Lage ist schlecht, und die Akzeptanzchancen als Infokanal im Baukastensystem bereits vorhandener Programmelemente gering. Auch auf die Unterstützung des ZDF für ihr Projekt unter dem Arbeitstitel „Deutscher Informationskanal“ (DIKA) kann das Erste nicht mehr länger hoffen: Der ZDF-Fernsehrat hat diesen Plänen gerade eine deutliche Absage erteilt. Jetzt will die ARD nach neuen Partnern fahnden.

Trotz des sicher richtig erkannten Informationsbedarfs der ZuschauerInnen schenken alle diese Konzepte zwei Grundtatsachen unserer Medienzeit wenig Beachtung. Erstens: Das öffentlich- rechtliche Fernsehen bietet bereits jetzt Nachrichten nahezu im Stundentakt, fast rund um die Uhr. In Krisenzeiten hat man gelernt, flexibel mit Sondersendungen zu reagieren. An weiteren Nachrichtenüberblicken, Kurzfilmchen mit Agenturtext und Zehn-Sekunden- Statements besteht deshalb wohl wenig Bedarf. Zweitens: Die Informationshungrigen, Politik-, Kultur- und Wirtschaftsinteressierten werden auf Zusatzinformationen aus den Printmedien nicht verzichten. Zu oberflächlich bleiben dafür auch noch so ausführliche Fernsehangebote.

„Orientierung geben, statt Querbeetinformation“ müßte deshalb das Motto der neuen Programme sein. Genau da könnte vox als Spartenprogramm in die Lücke stoßen, erste Adresse werden für eine kleine, feine Zielgruppe. Das Programmkonzept jedenfalls ist vielversprechend, die Latte der selbst verkündeten Ansprüche hoch gelegt. Doch auch den Kölnern muß klar sein: Die vermeintliche Marktlücke Information ist nur ein kleiner Spalt im bestehenden Fernsehangebot. Wille und Fähigkeit der Mediennutzer zur Informationsaufnahme werden nicht mit dem Kanalangebot steigen. Christoph Heinzle

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