: Nie wieder... Fackeln am Brandenburger Tor
■ Künstler rufen auf, am 30. Januar zwischen Siegessäule und Alexanderplatz eine Spur des Lichts als „Widerleuchten“ eines anderen Deutschlands zu ziehen
„Ich kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte“, soll der Maler Max Liebermann gesagt haben, als er am Abend des 30. Januar 1933 die SA-Formationen am Reichstag vorbei und durch das Brandenburger Tor marschieren sah. Die Nationalsozialisten feierten mit Fackelzügen die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler. Weggefegt wurde durch eine Unterschrift des Reichspräsidenten Hindenburg die schwarz- rot-goldene Weimarer Republik, in den Sattel gehoben wurde der schwarz-weiß-rote Führerstaat. Die sogenannte „Machtergreifung“ war eine „Machterteilung“, begleitet von großer Zustimmung der Deutschen. Die Opposition wanderte in die Konzentrationslager, ins Exil oder in die Illegalität.
60 Jahre nach diesem Tag sollen an historischer Stelle wieder Lichter leuchten. Prominente Künstler, darunter Otto Sander, Peter Zadek, Hildegard Knef, Harald Juhnke, Dieter Hallervorden, Käthe Reichel, Thomas Langhoff, Volker Ludwig und Leonie Ossowski, haben dazu aufgerufen, am Sonnabend ab 17.30 Uhr zwischen Alexanderplatz und Siegessäule eine „andere Spur des Lichts“ zu legen; eine „Spur der Erinnerung“ und zugleich „ein hunderttausendfaches Zeichen der Ermutigung“. Es solle ein „anderes Widerleuchten auf ein anderes Deutschland“ sein, sagte der Kabarettist und Mitorganisator Martin Buchholz. Er und alle Initiatoren betonen, daß an diesem 30. Januar „keine Fackeln“, sondern nur brennende Kerzen getragen werden. Wer versehentlich trotzdem eine Fackel mitbringt, kann sie umtauschen. Vor Beginn der Lichtspur werden an der Siegessäule, auf der Ostseite des Brandenburger Tors und am Fernsehturm Busse stehen, aus denen Sponsoren 50.000 Kerzen „mit Tropfschutz“ verteilen.
Die Lichtspur wird kurz vor 18Uhr zu einem Mahnbild. Studenten der Kunsthochschule bilden vor dem Brandenburger Tor mit Kerzen die Lichtschrift „Nie wieder!“. Zugleich soll um 18 Uhr die Bestrahlung des Fernsehturms, des Brandenburger Tors, der Siegessäule, des Berliner Doms und der Marienkirche für fünf Minuten ausgeschaltet werden. Gelöscht werden sollen um diese Zeit auch all die privaten Kerzen „als Zeichen unseres Zorns und unserer Trauer, gedenkend der Opfer von damals und heute“.
Die Initiatoren hoffen auf die Beteiligung von Hunderttausenden. Inzwischen sind auf Eigeninitiative von Einzelpersonen 40.000 Plakate geklebt worden. Abzuholen sind sie bei den „Wühlmäusen“, Ecke Nürnberger-/Lietzenburger Straße. Unterstützt wird die Lichtspur auch vom Kultursenator Ulrich Roloff-Momin. Nach der Demonstration am 8. November und der Lichterkette zu Weihnachten „seien die Probleme nicht erledigt und abgehakt“, schreibt er in einem Aufruf. „Wir müssen zeigen, daß der 30. Januar 1933 nicht vergessen oder verdrängt ist.“
Zur Lichtspur aufgerufen hat auch die „Friedenskoordination“ (Friko), ein Bündnis aus zahlreichen politischen Organisationen. Ihre um 15 Uhr am Gestapo-Gelände (Parkplatz Martin-Gropius- Bau) beginnende Demonstration endet um 17 Uhr mit einer Kundgebung am Bebelplatz. Auch der DGB und die Jüdische Gemeinde werden sich daran beteiligen.
Für erhebliche Irritationen bei der PDS sorgte hingegen der Friko-Konsens, keine Redner von Parteien sprechen zu lassen. Die PDS wird deshalb am Freitag dem 29. Januar um 17.30 Uhr eine, wie sie betonten, „ergänzende“ Kundgebung im Lustgarten veranstalten. Als Redner sind unter anderen Gregor Gysi, Steffi Spira, Stephan Hermlin und Hans Modrow vorgesehen. aku
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