■ Standbild: Nicht ohne meinen Historiker
„Unter Kreuz und Knute“, Sonntag, 19.30 Uhr, ZDF
Eine ahistorische Denk- und Lebensweise hat sich gegenwärtig in der Welt durchgesetzt wie keine zweite. Schon die jüngere Geschichte unseres Kontinents scheint vielen so weit weggerückt, daß selbst nach über einem Jahr Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien nicht ein einziger hiesiger Fernsehredakteur in der Lage ist, einen Beitrag zu senden, der die Geschichte dieses barbarischen Zwistes darstellt.
In diesem historischen Vakuum, in dem die Biographie jedes Hollywood-Darstellers mehr Beachtung findet als beispielsweise ein untergehendes Weltreich, hat sich der Journalist Peter Scholl-Latour das Image eines vertrauenswürdigen Weisen erworben. Doch im Vergleich zu Peter Milgers geduldiger Rekonstruktion der Kreuzzüge folgt Scholl-Latours vorangegangene Arbeit „Das Schwert des Islam“ nur einer dramaturgischen Prämisse: der Halbmond als Gefahr für die westliche Welt.
„Unter Kreuz und Knute“ stellt nun den – im Prinzip löblichen – Versuch dar, die wechselvolle Geschichte Rußlands zu skizzieren. Das Buch zum Vierteiler, so die Ansagerin, gibt es bei Bertelsmann. Die Form der historischen Dokumentation ist Tribut an die Hauptsendezeit. Die geschichtlichen Fakten werden fast durchweg anhand von Spielfilmen entwickelt, die zur Zeit der Sowjet-Ära als Geschichtskorrektur in Auftrag gegeben wurden. Die Visualisierung der Historie via Spielfilme ist zwar reizvoll, doch problematisch. Ob Tankerkatastrophe oder Krönung Iwans des Schrecklichen – der Eindruck, als wären wir vor Ort, stellt sich angesichts der Bilddokumente unterschwellig immer ein.
Geschichtliche Fakten huschen durchs Bild wie die tatarischen Reiterhorden. Bewegte Bilder vertreiben zwar die Langeweile, verringern jedoch insgesamt die instrumentell verfügbare Informationsmenge. Zuweilen dienten die Spielfilmbilder nicht der Anschaulichkeit, sondern nur der Untermalung der Geschichtsinterpretation Scholl-Latours. Sein kinematographisches Mosaik war zwar interessant, hätte jedoch ob seines notgedrungen fragmentarischen Charakters mehr Erläuterung und eines historischen Nachschlagewerkes bedurft. Manfred Riepe
Weitere Folgen: „Zeit der Wirren – Zeit des Ruhms“, 31.1., 19.30 Uhr; „Die Dämonen der Freiheit“, 1.2., 19.30 Uhr; „Die Sowjetmacht und ihr Zerfall“, 7.2., 19.30 Uhr.
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