: Dicke Kartoffeln sollen aufs Feld
■ Protest gegen Freisetzung genmanipulierter Pflanzen
Berlin (taz) – Die ForscherInnen vom Institut für Genbiologische Forschung Berlin (IGF) glauben, besonders schlau zu sein: sie erzeugen extrem dicke Kartoffeln. Ursache des exorbitanten Wachstums ist ein Gen aus der Bäckerhefe, das die WissenschaftlerInnen in die Erdapfelpflanzen der Sorte Desirée eingesetzt haben. Auf den Mittagstisch sollen die Kartoffeln nach Vorstellung der ForscherInnen jedoch nie kommen – angeblich sind sie ausschließlich als nachwachsende Rohstoffe gedacht.
1.675 EinwenderInnen haben ihren Protest dagegen angemeldet, daß die manipulierten Erdäpfel in diesem Frühjahr auf zehn mal zwanzig Meter großen Versuchsfeldern ausgesetzt werden. Heute und morgen können die GegnerInnen im niedersächsischen Northeim ihre Bedenken vortragen. Während das IGF die ökologischen Risiken als „äußerst gering“ vom Tisch wischen will, warnen die GegnerInnen vor unberechenbaren Folgen. Völlig unabsehbar sei, ob die Pflanzen auch die Bodenbakterien verändern. Pollenflug und damit unkontrolliert neu entstehende Sorten seien nicht auszuschließen. Daß die WissenschaftlerInnen durchaus nicht alle Folgen ihres Tuns berechnen können, zeige schon die Tatsache, daß die Pflanzen der Riesenkartoffel im Treibhaus aus unerfindlichen Gründen zwei Wochen früher blühten als ihre unmanipulierten Schwestern, schreibt der Gen-Ethische Informationsdienst.
Ute Sprenger vom genethischen Netzwerk glaubt, daß die Entscheidung zur Freisetzung längst gefallen ist. Sie geht davon aus, daß schon weitaus mehr genetisch manipulierte Pflanzen in Deutschland unter freiem Himmel getestet wurden als der offiziell bisher einzige Versuch mit Petunien. Das Bundesgesundheitsamt aber will den Schein wahren. „Für die Entscheidung, ob wir die Freisetzungsversuche zulassen, werden wir die Risiken für die Umwelt und für die Gesundheit von Tieren und Menschen beurteilen“, so Sprecher Jürgen Kundke. Ethische oder wirtschaftliche Bedenken fielen aber nicht in die Kompetenz des Amtes – das sei Sache der Politik.
Noch zwei andere Versuche sollen in Northeim zur Debatte stehen. Das IGF hat ebenfalls bei Desirée-Pflanzen die Amyloseproduktion in den Knollen unterdrückt, so daß die technisch sehr aufwendige Trennung der beiden Stärkekomponenten Amylose und Amylopektin überflüssig wird. Für die Verarbeitung in der Papier- und Textilindustrie wird reines Amylopektin gebraucht.
Noch weitaus größer ist die Schar der EinwenderInnen gegen eine genmanipulierte Rübe der Kleinwanzlebener Saatzucht AG (KWS) aus Einbeck. 3.143 haben ihren Protest gegenüber dem Bundesgesundheitsamt kundgetan. Denn die Rübe soll nicht nur gegen das Adernvergilbungsvirus immun sein, von dem nach Angaben der KWS etwa 25.000 Hektar Zuckerrübenfelder in Europa jährlich befallen werden. Im Nebensatz wird deutlich, daß die neue Zucht resistent gegen das Herbizid Basta sein soll, das von Hoechst hergestellt wird. Ein geglückter Freilandversuch wäre für den Konzern ein wichtiger Meilenstein, Saat und Pestizid künftig kombiniert zu vermarkten und so zunehmend eine Monopolstellung auf diesem Gebiet zu bekommen. Annette Jensen
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