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Jeder Zweite: Tram, aber dalli!

■ Podiumsdiskussion zur Straßenbahn: Berlin hat zwar moderne Wagen bestellt, doch das Netz gekürzt / In der Tra (u)m-Stadt Zürich ist Vorankommen das Wichtigste

Tiergarten. Vielleicht sollten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mehr auf Kundenwünsche achten. Die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) jedenfalls sind bei Umfragen unter Fahrgäsen und Autofahrern zu eindeutigen Aussagen gekommen. Deren Gäste interessiert nämlich recht wenig, wie modern die Züricher Tram ist. Wichtig ist, daß die Bahn schnell ans Ziel kommt. Dies berichtete Peter Stirnemann, Mitarbeiter der VBZ, auf einer Podiumsdiskussion, die der „Moabiter Ratschlag“ am vergangenen Mittwoch abend veranstaltet hatte.

Auf der Veranstaltung ließen die etwa 150 anwesenden Gäste keinen Zweifel an ihrer Unzufriedenheit mit den BVG – auch wenn für vieles der Verkehrssenator zuständig sei, wie BVG-Planer Hartmut Schmidt häufig wiederholte. Gewichtigster Kritikpunkt war, daß die BVG zwar moderne Züge bestellt habe, das Tram-Netz seit der Vereinigung Berlins aber – entgegen aller Versprechen – kürzer geworden ist. Offenbar würden die Berliner – wenn sie denn jemand fragen würde – dasselbe antworten wie die Züricher. 42 von 100 Eidgenossen ist ein schnelles Tempo der Straßenbahn am wichtigsten, jeder vierte Fahrgast will möglichst selten umsteigen müssen und in der Tram sitzen können, und nur jeder Sechzehnte wünscht sich an erster Stelle eine moderne Straßenbahn.

Zur Erinnerung: In Zürich gab es in den siebziger Jahren eine Volksabstimmung gegen die U-Bahn, weil ihr Ausbau zu teuer schien. Wenig später zwangen die Bürger ihre Stadtregierung mit einer erneuten Abstimmung, die Straßenbahn innerhalb von zehn Jahren mit 200 Millionen Schweizer Franken auszubauen. Doch in Berlin stecke der Senat weniger Geld in die Tram als zu Zeiten der DDR der Ostberliner Magistrat, sagte Matthias Horth vom Fahrgastverband IGEB. 1992 seien von 600 Millionen Mark Bundesmitteln für den öffentlichen Nahverkehr lediglich 30 Millionen in das Straßenbahnnetz geflossen – und das auch nur, wie Horth betonte, damit der Betrieb nicht zusammenbreche.

Nur die Straßenbahn könne die Verkehrssituation kurzfristig entlasten, waren sich Publikum und Podium einig. BVG-Schmidt zeigte sich optimistisch: Nach einem „Umdenken in den Köpfen“ unterscheide sich das Konzept der Verkehrsverwaltung kaum noch von dem Vorschlag der BVG. Tiergartens Baustadtrat Klaus Porath (SPD) glaubt, daß Tram-Befürworter bald nicht mehr zur Partei-Minderheit zählen werden. Der Moabiter Ratschlag kündigte weitere Veranstaltungen an. Dirk Wildt

Ausstellung des Moabiter Ratschlags mit internationalen Beispielen bis 2. März, 9 bis 18 Uhr, Rathaus Tiergarten.

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