: Muslime starten neue Offensive
■ Auch Kämpfe bei Zadar gehen weiter / Zwanzig französische UN-Soldaten zwischen den Fronten eingeschlossen / Frankreich mobilisiert Luftwaffe / Kriegsverbrecherprozesse fraglich
Sarajevo (dpa/AFP) – Die Auseinandersetzungen zwischen muslimischen und kroatischen Truppen in Zentralbosnien haben sich am Mittwoch erneut zu schweren Kämpfen ausgeweitet. Nach Berichten des kroatischen Rundfunks haben rund 8.000 „extremistische Moslems und ausländische Mudschaheddin-Kämpfer“ in der Nacht zum Mittwoch eine gezielte Offensive gegen die Ortschaft Busovaca (50 Kilometer nordwestlich von Sarajevo) gestartet, in deren Verlauf bis zum Vormittag auf kroatischer Seite mindestens 35 Menschen ums Leben kamen. Auch aus der Region Gornji Vakuf wurden vereinzelte Zusammenstöße gemeldet, obwohl Kroaten und Muslime schon zu Wochenbeginn unter UNO-Vermittlung eine Waffenruhe vereinbart hatten.
Hintergrund der Kämpfe ist die in Genf vorgestellte Landkarte mit der zukünftigen territorialen Aufteilung Bosniens in zehn Provinzen. Die umkämpften Ortschaften würden demnach der kroatischen Seite zufallen, während die Muslime weiterhin Anspruch auf dieses Gebiet erheben.
Unterdessen traf der Kommandant der UN-Schutztruppen für das ehemalige Jugoslawien, der indische General Satish Nambiar, in Knin, der Hauptstadt der Krajina, ein. Dort wollte er mit Vertretern der selbstproklamierten „Serbischen Republik Krajina“ zusammenkommen und auf einen Waffenstillstand zwischen der kroatischen Armee und den serbischen Milizen drängen. Denselben Zweck verfolgte der stellvertretende russische Außenminister Witali Tschurkin mit seinem Besuch beim kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman in Zagreb.
Die Vermittlungsbemühungen von General Nambiar werden angesichts der erneuten Vorstöße der kroatischen Armee in Richtung Benkovac und Obrovac (46 Kilometer nordöstlich von Zadar) von Beobachtern skeptisch beurteilt. Tudjman hatte am Dienstag bei einem Treffen mit Nambiar erklärt, die kroatische Armee reagiere lediglich auf serbische Angriffe.
Zwischen den Fronten im Süden der Krajina sitzen etwa zwanzig französische UN-Blauhelmsoldaten fest. Ein Sprecher des Verteidigungsministerium sagte, es bestünden Hoffnungen, daß die französischen Soldaten mit Hilfe der UNO evakuiert würden. Zur schnellen Evakuierung und zum Schutz seiner UN-Soldaten hat Frankreich inzwischen auch seine Luftwaffe mobilisiert. Nachdem bereits Anfang der Woche ein Flottenverband um den Flugzeugträger Clemençeau in die Adria entsandt worden war, wurden nun acht Jagdbomber und vier Abfangjäger in Erwartung einer Stationierung im italienischen Rimini nach Korsika verlegt. – Zugleich forderte Paris die Einhaltung des UN-Embargos gegen Serbien. Auch am Mittwoch war es in einer gemeinsamen rumänisch-bulgarischen Aktion nicht gelungen, serbische Schiffe, die über die Donau Treibstoff nach Serbien transportierten, aufzuhalten.
Der Vorsitzende der UN-Kommission zur Untersuchung von Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien hat bezweifelt, daß die dort begangenen Massenmorde und Vergewaltigungen jemals vor ein internationales Gericht kommen können. Die Meinung der Weltöffentlichkeit zu solchen Gerichtsverfahren sei gespalten. Ermittler würden es zudem schwer haben, da Ex-Jugoslawien im Gegensatz zu Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg nicht von internationalen Streitkräften besetzt sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen