: Feuchtfröhliche Ausländerfeindlichkeit
■ Schlägerei am Neujahrsmorgen: Polizeibeamte nannten drei Ausländer "Kanaker" / Betrunken den Dienstausweis gezückt?
nannten drei Ausländer »Kanaker« / Betrunken den Dienstausweis gezückt?
Haben angetrunkene Polizisten in der Neujahrsnacht Ausländer beschimpft und eine Schlägerei provoziert? Das behauptet Ibrahim Park*, der sich aus Angst vor staatlicher Repression erst jetzt bei der taz meldete. Daß Polizisten an der Schlägerei beteiligt waren, belegt ein der taz vorliegender „Dienstausweis 4857“ der Behörde für Inneres und wird auch von der Polizeipressestelle bestätigt.
Rückblende: Ibrahim überquerte am Neujahrsmorgen zwischen vier und fünf Uhr mit einer Gruppe von Ausländern den Fischmarkt. Sie waren fröhlich, hatten einiges getrunken. Drei Deutsche seien ihnen entgegengekommen, hätten ihnen „ein gutes Neues Jahr“ gewünscht und gefragt, „ob wir nicht mitkommmen wollten“. Einer der Deutschen, die laut Ibrahim „ziemlich besoffen waren“, habe gesagt: „He, komm her, zeig' mal deinen Ausweis.“ Auf die Frage, ob er denn berechtigt sei, den Ausweis zu verlangen, habe Ibrahim als Antwort bekommen: „Ich brauch' keine Genehmigung, ich bin deutscher Staatsbürger. Und du siehst wie ein Kanaker aus.“
Ibrahim habe dann erwidert: „Du bist nicht ganz dicht.“ Die drei Deutschen hätten sich daraufhin auf ihn gestürzt, und es sei zu Handgreiflichkeiten gekommen. Ibrahim rief seine Freunde zur Hilfe, die schon ein Stück weitergegangen waren. Die drei Deutschen wären dann von ihnen verdroschen worden, während Ibrahim auf allen Vieren auf dem Boden gekniet hätte. Plötzlich habe jemand gerufen: „Halt, hier ist die Ausländerpolizei.“ Ein Ausweis wurde hochgehalten. Einer von Ibrahims Freunden habe den Ausweis gegriffen und sei damit weggelaufen. Ibrahim: „Erst später haben wir gemerkt, daß es sich tatsächlich um einen Polizisten gehandelt hatte.“
Die Polizei schildert selbstverständlich eine ganz andere Version: Danach hatten zwei Bereitschaftspolizisten, die nicht im Dienst gewesen waren, nach einem Kneipenbummel beobachtet, wie Ausländer Passanten mit Knallkörpern beworfen hätten. Aus diesem Grund seien die beiden Polizisten zu den Ausländern gegangen und hätten sie aufgefordert, damit aufzuhören. Polizeisprecher Peter König: „Die waren dort aber sozusagen als Zivilpersonen.“ Als die Männer daraufhin nicht aufgehört hätten, so König, hätten die Kollegen gesagt: „Wir sind Polizeibeamte.“
Dann seien die beiden Männer von den Ausländern angegriffen und zu Boden geschlagen worden. König: „Nach dem Bericht des Kollegen hätte dann einer der Ausländer ihm in die Jackentasche gegriffen und den Dienstausweis entwendet. Dann sind die Täter geflüchtet.“ Warum die Geldbörse unangetastet blieb, dürfte das Geheimnis des Beamten „4857“ bleiben. Ibrahim hat für die Version nur Zynismus übrig: „Wenn sie vor der Flora stehen, sind Polizisten immer stark. Wenn es um ihre eigenen Belange geht, sind sie plötzlich schwach und lassen sich den Ausweis aus der Tasche klauen.“ Die Polizei ermittelt jedoch wegen „Raubes“. Kai von Appen
*Name geändert
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