: Im Reich der Zeichen
■ Eine Tatoo-Filmreihe im Völkerkundemuseum
Wer sich tätowiert, ist ein Verbrecher. So hieß es um 1900 in Europa. Bizarre Zeichen, ominöse, archaische Bilder oder gar wulstige Narbenlandschaften hatten auf dem weißen Körper nichts zu suchen. Die unter Schmerzen eingeritzte Leibeszierde, mit der die Naturvölker aus der Südsee den abendländischen Weltumseglern – und Kolonisatoren – begegneten, schockierte bibelfeste Gemüter nachhaltig. Als der englische Kapitän James Cook anno 1768 Richtung Südsee in See stach, ahnte niemand, welche Aufregungen – und Auswirkungen – ihnen 1774 das Tahiti-Mitbringsel Omai, der tätowierte Eingeborene, bereiten würde.
Kulturelle, soziale und politische Ursprünge der Tätowierung und deren westliche Spiegelung stehen im Mittelpunkt einer Filmreihe, die parallel zur laufenden Ausstellung „Der dekorierte Körper“ im Völkerkundemuseum zu sehen ist. Bevor die sogenannten Naturvölker selber zur Kamera griffen, aber nur noch Spuren ihrer Geschichte fanden, gab es aufgeklärte Filmer wie Robert Flahaerty, die ausschwärmten, den guten, natürlichen Wilden zu suchen: „Moana“ von 1923/24, der Klassiker des Dokumentarfilms, begründete ein ganzes Genre. Unfreiwillig komisch mutet es heute an, wenn zu romantischer Klaviermusik die glücklichen Einwohner Samoas Bananenbäume beschneiden. In Geoff Stevens „Signatures of the Soul“, 1985 Neuseeland (29.1.), begleitet Peter Fonda einen Streifzug der Tatauierung in Neuseeland, auf Samoa, in Amerikas Westküstenstädte und Japan, wo das Tätowieren eine ganz eigenständige Tradition besitzt. Ein bißchen „Wochenschau“-Stakkato, gibt der Film dennoch einen Überblick über die Ikonographie der Neuen Welt.
Eindringlicher formuliert Peter Cathros seine Dokumentation „Black Power: Fast Forward“ von 1990. Die junge politische Bewegung der Maoris begreift Tatuierung als Rückgriff auf ihre verlorene Kultur. Die Malereien im Gesicht sind ihnen wiederentdeckte Zeichen ihres politischen Bewußseins. „Arbeitslosigkeit gibt es in Neuseeland erst, seit Cook unseren Boden betrat“, resümiert ein Black-Power-Mitglied, der als Manager arbeitet.
Elegisch setzt dagegen der Western „Utu – Die letzte Schlacht der Maoris“ (1983, Regie: Geoff Murphy) ins Bild. 1870 scheitert in Neuseeland ein Maori-Aufstand. Brutal kartätschen weiße Soldaten und Siedler die verhaßten pakehas, die Rebellen, nieder. Auch wenn Murphs Maori-Ballade Konzessionen an westliche Sehgewohnheiten macht, beeindruckt „Utu“ nicht zuletzt durch seinen Hauptdarsteller Anzac Wallce. Seine Präsenz decouvriert jeden Kevin-Costner- Wolf als Barbie-Monster.
Zur Reihe gehörte auch Charles Laughtons monströser „The Night of The Hunter“. Robert Mitchum als dämonischer Wanderprediger, der sich love und hate auf seine Handknöchel hat tätowieren lassen – ein schauriger Genuß.
Einen skurrilen Leckerbissen beschert „The Illustrated Man/Der Tätowierte“ (30.1.), den Jack Smight 1968 nach dem SF-Klassiker Ray Bradburys drehte. Rod Steiger wandelt als lebendes Kunstwerk, über und über mit bizarren, alptraumhaften Sequenzen bepflastert, die einem heimleuchten. Lust und Qual bereiten den Auserwählten die Tätowierkünste eines japanischen Meisters „Irezuma – Die tätowierte Frau“ (29.1.). Der Regisseur Yoichi Takabayashi spekulierte wohl vor allem auf den europäischen Markt, als er 1981 seinen Thrill vom wollüstigen Schmerz exerzierte. In der japanischen Filmgeschichte nimmt das Werk einen marginalen Rang ein. Absolutes Muß ist Daniel Manns Tennessee-Williams-Verfilmung „Die tätowierte Rose“ (31.1.) mit Anna Magnani und Burt Lancaster: Magnani führt vor, wie sich ein erotisches Erkennungszeichen in die häßliche Fratze von Lug und Betrug wandelt. Yvonne Rehhahn
Alle Filme Großer Vortragssaal, Völkerkundemuseum Dahlem, Lansstraße 8, jeweils um 19 Uhr.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen