■ Serbische Öltanker „durchbrechen“ die UNO-Blockade: Ein Melodrama erster Güte
Slobodan Milošević, der starke Mann Serbiens, hat allen Grund, sich ins Fäustchen zu lachen. Im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit wurde im letzten Jahr eine beachtliche Armada von Kriegsschiffen an die Küste vor Montenegro beordert, um an der Adria das Handelsembargo gegen Rest-Jugoslawien durchzusetzen. Nun tuckern seit Tagen fünf Öltanker in aller Seelenruhe die 600 Kilometer lange Strecke vom ukrainischen Hafen Rani, längs der rumänisch-bulgarischen Grenze zum serbischen Hafen Prahovo die Donau hoch – mit einer maximalen Durchschnittsgeschwindigkeit von zehn Stundenkilometern. Die devisenarmen Ukrainer wissen offiziell von nichts, die Bulgaren fordern technische Hilfe aus dem Westen an, die Rumänen sehen sich nicht in der Lage, einen schwer manövrierbaren langsamen Tanker anzuhalten, dessen serbischer Kapitän mit der Sprengung der Ladung droht, und Belgrad feiert öffentlich die Ankunft des kriegsstrategisch so wichtigen Rohmaterials. Wahrlich ein Melodrama erster Güte.
Schon bevor die mazedonisch-serbische Grenze nach zahlreichen Berichten über Embargobrecher in Fernsehen und Presse auf Druck der EG auch für Tanklastzüge einigermaßen dicht gemacht wurde, hatten Experten darauf hingewiesen, daß der größte Teil des Erdöls schon bald über die Donau geliefert werden würde. Doch präventive Schritte für den absehbaren Fall wurden nicht getroffen. Und jetzt kapituliert man umstandslos vor Kapitänen, die sich als potentielle Umweltterroristen entpuppen oder vermutlich sich nur als solche aufspielen.
Es ist nämlich höchst unwahrscheinlich, daß eine Flußblockade oder gar eine Kommandoaktion zur Festnahme der unverfrorenen Kapitäne tatsächlich zu einer ökologischen Katastrophe geführt hätte. Doch ist die Untätigkeit von EG und UNO sicherlich nicht dem minimalen, letztlich nicht ausschließbaren Restrisiko geschuldet. Es wurden ja nicht einmal ernsthafte Verhandlungen mit den Blockadebrechern erwogen. Nein, es fehlte – wie inzischen geradezu üblich beim Krisenmanagement auf dem Balkan – am politischen Willen, rechtzeitig wirksame Maßnahmen zu treffen. In Jugoslawien wurden erst EG-Beobachter stationiert, als der Krieg schon ausgebrochen war. In Kroatien wurden erst UN-Truppen eingesetzt, als die Serben ihre Eroberungsfeldzüge in der Krajina und in Slawonien abgeschlossen hatten. In Bosnien-Herzegowina wurde dem Begehren von Präsident Izetbegović zur Entsendung von Blauhelmen erst stattgegeben, als Sarajevo schon längst eingeschlossen war. Und nun sind zwar am Unterlauf der Donau KSZE-Beobachtertrupps stationiert, doch sind sie – anders als im Fall der Adria, wo die Nato und die WEU aufpassen – offenbar durch keine UNO-Resolution ermächtigt, das international beschlossene Embargo auch durchzusetzen. Freilich könnte es nicht wundern, wenn der UN-Sicherheitsrat einen entsprechenden Beschluß durchsetzen würde, sobald die serbischen Lager wieder aufgefüllt sind. Thomas Schmid
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