Der „Genosse Genießer“ genießt

Oskar Lafontaine läßt die Landtagsdebatte über seine Kontakte zur Unterwelt lässig an sich abperlen/ Opposition zetert hilflos über die „Arroganz der Macht“  ■ Aus Saarbrücken Frank Thewes

Oskar Lafontaine liest jetzt montags lieber Focus. Gestern jedenfalls. Vor den Fernsehkameras im saarländischen Landtag blätterte der Ministerpräsident demonstrativ im neuen Burda-Nachrichtenmagazin, das keine Enthüllungen über ihn im Angebot hatte. Denn bei der Sondersitzung des Saar-Parlamentes zitierten die Oppositionsparteien immer wieder aus dem von Lafontaine inzwischen geschmähten Spiegel: das Hamburger Blatt berichtet in seiner neuesten Ausgabe, zwischen der Staatskanzlei und dem Saarbrücker Unterweltkönig habe es noch bis in die jüngste Vergangenheit zumindest inoffizielle Kontakte gegeben.

Doch CDU und FDP hielten sich mit Rücktrittsforderungen auffallend zurück. Der CDU- Fraktionsvorsitzende Peter Jacoby sagte, die Vorwürfe seien so „ungeheuerlich“, daß auch er hoffe, sie träfen nicht zu.

Heftig kritisierte die Opposition jedoch, daß Lafontaine mit einer Sondersitzung dazu gezwungen werden müsse, zu den Berichten Stellung zu nehmen. Der „Saar- Napoleon“, den die Opposition gern auch als „Genosse Genießer“ apostrophiert, lege eine „Arroganz der Macht“ an den Tag, die für eine Demokratie gefährlich sei.

Die FDP-Fraktionsvorsitzende Brunhilde Müller warf der Landesregierung vor, an der Staatsanwaltschaft vorbei Kontakte zu dem in Frankreich als Freigänger inhaftierten Hugo Lacour unterhalten zu haben.

Befremden löste bei den vielen auswärtigen Journalisten der hohe Geräuschpegel der Debatte aus. Erst als der Ministerpräsident ans Rednerpult trat, wurde es still im kleinen Landtag. Doch Lafontaine hatte kaum etwas Neues als Erklärung zu bieten: er verlas fast wortwörtlich einen Text, den er bereits vergangene Woche an Journalisten verteilen ließ. Zu dem erst am Wochenende ans Licht gekommenen Treffen zwischen Lafontaines Mitarbeiter Totila Schott und Gangster Hugo Lacour sagte Lafontaine: „Diese Kontakte haben nicht mit Wissen des Ministerpräsidenten stattgefunden. Sie sind nicht gebilligt worden, und sie werden nicht gebilligt.“ Dagegen hatte sein Staatssekretär Kurt Bohr am Samstag behauptet, er habe Lafontaine über das Treffen Schott-Lacour informiert. Damit bleibt fraglich, in wessen Auftrag Lafontaines Mitarbeiter Schott zu Lacour nach Frankreich fuhr. Der Spiegel schreibt unter Berufung auf Ermittlungen der Bundesanwaltschaft, der Mann der Staatskanzlei habe Lacour „auf ausdrücklichen Wunsch“ seines Chefs Bohr aufgesucht. Der Staatskanzlei-Chef spricht dagegen von einem „rein privaten Treffen“, über dessen Inhalt er lediglich informiert worden sei. Schott selbst schilderte die Kontaktaufnahme gegenüber der taz so: Lacour habe mehrfach in der Staatskanzlei angerufen und ein Treffen verlangt. Dies sei ihm, Schott, bedenklich vorgekommen: „Ich wollte mit der Sache nichts zu tun haben.“ Deshalb habe er sich an Staatskanzlei- Chef Bohr gewandt. Von diesem sei ihm gesagt worden: „Hör dir mal an, was der (Lacour) zu sagen hat.“ Schließlich sei er mit seinem Privatwagen nach Forbach gefahren. Dort habe Lacour wüste Drohungen ausgestoßen: „Entweder werde ich bis Weihnachten begnadigt, oder ich rede mit dem Spiegel und dem ZDF. Dann mache ich mit den Fotos noch gut Geld, und anschließend gehe ich nach Jugoslawien kämpfen.“

Darüber hat Schott in der Staatskanzlei Bericht erstattet, wie auch von Bohr bestätigt wird. Der Staatssekretär wiederum will Lafontaine informiert haben, der die Erpressungsversuche als „dummes Zeug“ abgetan habe. Totila Schott selbst hält die Reaktion der Staatskanzlei auf seinen Bericht über den „gefährlichen Psychopathen Lacour“ für „dilettantisch“: „Die hätten sofort Strafanzeige stellen müssen.“ Wieso der langjährige Lafontaine-Günstling Schott jetzt von seinem früheren Gönner zum Sündenbock gemacht werden soll, dafür hat der Ex-Leibwächter, Koch, Rocker und selbsternannte Außenseiter nur eine Antwort: „Die Staatskanzlei ist offenbar in Erklärungsnotstand geraten.“