■ Press-Schlag: Fußball-Fans gegen rechts
Seit mehreren Jahren sehen sich Fußballfans in Deutschland zunehmend in die Defensive gedrängt. Beachtung ist ihnen fast ausschließlich dann gewiß, wenn sie sich nicht entsprechend der DFB-Kampagne „Wir sind die Fans“ verhalten. Ohne auf mögliche Ursachen zu achten und ohne differenzieren zu wollen, ist dann die Rede von Chaoten, Krawallmachern und Terroristen, die sich im Extremfall als „brodelnde Menge über den Zaun auf das Spielfeld ergießen“. In der Offensive befinden sich vor allem die Law-and- Order-Vertreter des Sports und der Politik, die ein „Nationales Konzept Sport und Sicherheit“ erstellen ließen, um das Ansehen des „Sports allgemein und der staatlichen Gemeinschaft insgesamt“ wieder zu heben.
Vergangenes Wochenende hätte der DFB die Chance nutzen können, dieses Konzept gegenüber rund 50 Fußballfans in den unterschiedlichsten Vereinsfarben zu erläutern. Leider ließ er sie ungenutzt, der eingeladene DFB-Sicherheitsbeauftragte sagte seine Teilnahme an der im Düsseldorfer „zakk“ stattfindenden Podiumsdiskussion zum Thema „Fußball-Fans gegen rechts“ ab. Schließlich trage der DFB keine Verantwortung für rechte Tendenzen im Fußball und dementsprechend fehle auch jeglicher Handlungsbedarf. So mußte sich dann der Vertreter des westdeutschen Fußball-Verbands, Peter Frymuth, die harsche Kritik der Anwesenden anhören, ohne ausreichende Antworten geben zu können.
Ebenfalls hart angegriffen wurden die beiden Medienvertreter auf dem Podium: Johannes B. Kerner von SAT.1 und Dirk Westerheide vom kicker. Nach Ansicht der Fans seien sie mitverantwortlich für das sehr späte Reagieren auf rechte Tendenzen im Fußball und für die oftmals simplifizierende Darstellung von Fußballfans als randalierende und tumbe Chaoten. Beide Journalisten gaben zu, in der Vergangenheit Fehler gemacht zu haben, und versprachen, sich zukünftig differenzierter mit dieser Materie auseinanderzusetzen. Daß diese Absichtserklärung aber auch tatsächlich in den jeweiligen Redaktionen Früchte tragen wird, ist nur zu hoffen.
Die anwesenden Fangruppen und -projekte, unter anderem aus Berlin, Hamburg, Kaiserslautern und Schalke sind da bereits einen großen Schritt weiter. Für sie gilt es schon seit längerem, Rechtsextremisten und Rassismus in den Bundesligastadien Widerstand entgegenzusetzen. Über die größte Erfahrung auf diesem Gebiet verfügen zweifelsfrei die Fans des FC St. Pauli. Hier wurde nach den rassistischen Ausfällen gegenüber Suleyman Sane sofort der Kontakt zwischen Spielern und Fans gesucht, um über einen offenen Brief gemeinsam gegen Rassismus vorzugehen. Schon seit 1990 wird von seiten des FC St. Pauli gegen rechtsradikale und rassistische Parolen und Einflüsse in den Stadien angegangen. Und auch die Verantwortlichen werden klar benannt: Vereine, Verbände, Medien.
Die Fans der an der Düsseldorfer Veranstaltung beteiligten Vereine wollen zukünftig gemeinsam der Rechtsentwicklung im Fußball etwas entgegensetzen. Zunächst ist eine Vernetzung der Fangruppen geplant, die sich den Kampf gegen rechts auf ihre Vereinsfahnen geschrieben haben. Dies soll unter anderem in Form von Flugblattaktionen, wie es sie vor der Winterpause bereits mit einigem Erfolg in manchen Stadien gab, durchgeführt werden. Weiterhin regte Sven Brux, Fan-Beauftragter des FC St. Pauli, an, ähnlich wie in Hamburg Fan- Läden zu organisieren, die mehrmals in der Woche geöffnet sind, um den Anhängern eine lokale Anlaufstelle zu bieten. Gleichzeitig forderte er dazu auf, rechtsextremistischen Organisationen keinen Fußbreit Raum in den Stadien zu geben und deren Vertreter rauszuschmeißen. Der DFB sollte dafür sorgen, daß rechte Parolen an den Zäunen sowie die in vielen Bundesligastadien zu sehende Reichskriegsflagge verboten werden.
Leider ist dieser Aspekt in dem neuen Sicherheitskonzept des DFB noch nicht einmal in Form einer Fußnote vorhanden. Nach Abschluß der Saison ist ein Fantreffen geplant, um die in Düsseldorf vereinbarte Zusammenarbeit mit weiteren Fangruppen zu diskutieren und sich auf Bundesebene zu organisieren: gegen die Ignoranz des DFB und gegen Rechtsextremismus und Rassismus im Fußball. Michael Bolten
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