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Aura proletarischen Charmes

■ Ein furioses Regiedebüt: John Turturros „Mac“

„The Times They Are a' Changin' Back“. – Die restaurative Beschwörungsformel als treffendes Zeitgeist-Bonmot. In Tim Robbins' exzellenter Polit-Farce vom unaufhaltsamen Aufstieg des Provinz- Polit-Popanz' „Bob Roberts“ zum Guru des „sauberen“ Amerika hatte die Liedzeile noch einen satirischen Klang. Inzwischen tönt's golden-quirlig. Die Rückspiegel werden blankgeputzt: Der verklärte Blick auf die kurze Ära des meuchlings gemordeten Präsidenten Kennedy zielt auf tugendhaftes Sichbescheiden: Üb' immer Treu und Redlichkeit... Da kommt ein Held wie John Turturros „Mac“ gerade recht.

Turturro – mit dieser faszinierenden Kombination aus Nervosität, Intellekt und körperlicher Präsenz ein ideales Medium der Brüder Coen in den Filmen „Millers Crossing“ und „Barton Fink“ – hatte mit der Arbeit an seiner Handwerker-Ballade bereits zu Zeiten Ronald Reagans begonnen und sie in der Amtsperiode Bush' beendet. Titelheld Mac Vitelli (John Turturro selbst mit bewährtem, leicht verweichlicht anmutendem Neurosen-Habitus) ist ein Jasager in eigener Sache: „Es gibt nur zwei Wege, etwas zu tun: meinen und den richtigen.“ Diesen Weg beschreitet der italienische Einwanderer nach dem Tod des Vaters konsequent. Seine Brüder Vico und Bruno als billige Arbeitskräfte ausbeutend, erkämpft sich der Zimmermann mit der unantastbaren Handwerkerehre eine eigene Firma – allen dunklen Machenschaften der Konkurrenz zum Trotz. Die Aufbruchstimmung der 50er Jahre kommt dem verbissenen selfmademan zugute; nach Anfangsschwierigkeiten verkaufen sich seine schmucken Häuschen am Rande der Stadt wie frische Semmeln. Jahre später kann Mac, seinen kleinen Sohn zufrieden an der Hand hinter sich herziehend, stolz auf die Früchte seines Fleißes verweisen.

Turturro verschweigt den Preis des Erfolges nicht: Mac entwickelt sich zum störrischen Einzelkämpfer, sein materieller Wohlstand baut auf den Verlust partieller familiärer Harmonie. Der wird allerdings vermittels individueller Emanzipation von überkommener Tradition sowie durch Ehe- und Vaterfreuden aufgefangen. Sich aus der Großgemeinschaft lösend, frönt Mac doch der steuerbegünstigten Sicherheit einer Kleinfamilie. Und wenn er denn im Finale Vitelli jr. mit feuchten Augen die Vergangenheit glorifiziert, tritt die trotz aller Kritik am patriarchalischen Gestus des Helden dominierende, fatale Botschaft dieses Heimatfilms für alle Vorgartenfans überdeutlich zutage: „The Times They Are a' Changin' Back“.

Welche Philosophie der Film – ob gewollt oder nicht – favorisiert, wird besonders an einer Randfigur deutlich: Oona, Tänzerin, Modell, von Ellen Barkin als pseudoexistentialische Circe der Bohème der Lächerlichkeit preisgegeben. Diese New Yorker Juliette-Greco- Imitation steht für alles, was Leute wie Mac Vitelli in ihrem Streben nach Höherem behindert: Freigeist, sexueller Nonkonformismus, Unabhängigkeit. Während Macs Brüder dieser Hexe huldigen und in logischer Folge wirtschaftlich weit weniger erfolgreich sind als er, wendet sich der Saubermann angewidert ab – und erklettert die Karriereleiter ohne nennenswerte Einbrüche. Es lebe der Kleingeist!

Formal brilliert Turturro mit hollywoodlikem Mittelstands-Realismus, der einst von Regisseuren wie Frank Capra („Mr. Deeds Goes to Town“, 1936) und William Wyler („The Best Years of Our Lives“, 1946) zur Meisterschaft gebracht wurde: In ausgewogener Balance von psychologisch detailfreudiger Figurenzeichnung und stimmungsvoller Sozialmalerei entwickelt sich die Story konsequent vom Allgemeinen (Beschreibung des Vitelli-Clans) zum Besonderen (Macs Alleingang zum Erfolg). Die Kamera vermeidet jegliche Schnörkel, löst den Fluß der Erzählung in einen gemächlichen Wechsel aus soften Großaufnahmen (selbstverständlich insbesondere des Helden) und die Realität durch Distanz beschönigende Totalen (der Arbeitswelt) auf. Da wird das karge gemeinsame Frühstück der Zimmermannskolonne zum Fest der Brüderlichkeit, umgibt die blödeste Macho-Pose eine Aura proletarischen Charmes. In „Mac“ mutiert der Existenzkampf zum friedvollen Sommerspaziergang – bei Regen findet sich stets eine Eiche zum Unterstellen. Peter Claus

John Turturro: „Mac“. Kamera: Ron Fortunato. Mit John Turturro, Katherine Borowitz, Michael Badalucco. USA, 1992

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