: UNO: Kein Bosnien-Beschluß in Sicht
Die beiden Genfer Vermittler Owen und Vance kommen bei ihren Sondierungen nicht weiter/ Niemand weiß, was die USA wollen und was somit die UNO beschließen kann ■ Aus New York Andreas Zumach
Im UNO-Glaspalast am New Yorker East River herrscht tiefe Ratlosigkeit. „Wir wissen es nicht“, heißt die allfällige Antwort, wenn man in diesen Tagen nach der Art einer Friedenslösung für Bosnien-Herzegowina, der Haltung wichtiger Parteien oder auch nur dem Zeitpunkt eines UN-Sicherheitsratsbeschlusses fragt.
So geht es auch den beiden Unterhändlern von EG und UNO, David Owen und Cyrus Vance. Ihr Kalkül, die Clinton-Administration in Washington noch in dieser Woche zur Unterstützung des von ihnen vorgelegten Abkommens zu bewegen und damit zur Aufgabe aller Überlegungen, sich im UNO- Sicherheitsrat für eine Aufhebung des Waffenembargos an die bosnischen Muslime zu bewegen – dieses Kalkül ist gescheitert.
„Wir wissen nicht, welche Haltung die Clinton-Administration hat“, hatten die beiden Unterhändler am Montag abend erklärt und der neuen US-Regierung „noch etwas Zeit“ eingeräumt. Am Dienstag klang Vance schon eine Spur schärfer: „Es ist ein Hindernis für unsere Bemühungen, wenn wir nicht wissen, welche Haltung die US-Regierung in den wichtigsten Fragen einnimmt.“ Enttäuscht ist Vance vor allem von seinem ehemaligen Stellvertreter aus seiner Zeit als Außenminister unter Carter von 1976 bis 1980, der jetzt US-Außenminister ist: Warren Christopher, dessen Kritik vom Montag abend einen höchst zwiespältigen Eindruck hinterließ.
Sind die in den letzten Wochen von Mitgliedern der neuen US-Regierung immer wieder geäußerten inhaltlichen Bedenken gegen das von Vance und Owen vorgelegte Abkommen ausschlaggebend für das Zögern der Administration? Oder ist es die Angst, sich in außenpolitischen Fragen überhaupt festzulegen und damit Verantwortung zu übernehmen, die handfeste – also militärische – Konsequenzen haben könnte? Clinton wolle sich nicht, ähnlich wie Kennedy vor 32 Jahren mit der Kuba-Invasion „gleich zu Beginn seiner Amtszeit in außenpolitische Abenteuer stürzen“ zitierte die Washington Post vor einigen Tagen namentlich nicht genannte Mitglieder der neuen Regierung.
Was immer die Motive sind: der Izetbegović-Regierung Bosnien- Herzegowinas bleibt vorerst noch mehr Spielraum. Laut ursprünglichem Kalkül von Vance und Owen sollten Izetbegovićs Muslime in New York massiv unter Druck gesetzt und noch vor den Serben gezwungen werden, das letzten Samstag in wesentlichen Teilen abgelehnte Abkommen doch noch zu unterschreiben. Doch jetzt will Bosniens Außenminister Haris Silajdzic bei den heute beginnenden informellen Beratungen erst einmal „neue Vorschläge“ auf den Tisch legen. Neue Vorschläge dürfte auch Serbenführer Radovan Karadžić in der Tasche haben. Ihm, den Christophers Vorgänger Lawrence Eagleburger noch im Dezember offiziell als Kriegsverbrecher bezeichnet hatte, erteilte das US-Außenministerium am Dienstag abend doch noch ein Einreisevisum, dessen Verweigerung die bosnische Regierung zuvor verlangt hatte. Allerdings berechtigt das Visum nur zur einmaligen Einreise, und Karadžić darf sich nur im Umkreis von maximal 35 Kilometern um das New Yorker UNO-Hauptquartier aufhalten.
Unter diesen Umständen ist auch der Zeitpunkt für den von Vance und Owen angestrebten UNO-Beschluß zur Billigung des Abkommens sowie über Sanktionsmaßnahmen zu seiner Durchsetzung erst einmal in unbestimmte Ferne gerückt. Er rechne mit einer Entscheidung des höchsten UNO-Gremiums „in spätestens zehn Tagen“ erklärte Owen noch zu Beginn einer Pressekonferenz am Dienstag. Auf Wink von Vance korrigierte sich Owen wenige Minuten später: von einer „Deadline“ könne „keine Rede sein“. Der finnische UNO-Diplomat Martti Ahtisaari, Hauptautor der Genfer Karte für die Aufteilung Bosnien-Herzegowinas in zehn ethnische Provinzen, erwartet einen Beschluß des Sicherheitsrates „frühestens in drei Wochen“.
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