: Lebenskraft durch Wundersaft?
■ Die Hersteller versprechen ihren Kunden das Blaue vom Himmel / Tatsächlich ist der einzig wirksame Bestandteil von Stärkungsmitteln in vielen Fällen Alkohol
Schmerzt der Kopf, zittern die Nerven, kneift der Magen? Fühlen Sie sich gereizt, unruhig oder abgeschlafft? Sticht das Herz, klemmt der Darm? Ihnen kann geholfen werden. Ein einfaches Stärkungsmittel wirkt oft Wunder. Das jedenfalls versprechen Firmen wie Klosterfrau, Rabenhorst oder Salus. So vielseitig wie sich die Präparate angeblich einsetzen lassen, so bunt sind sie zusammengesetzt. Das Doppelherz-Energie-Tonikum von der Firma Queisser enthält zum Beispiel 24 verschiedene Substanzen von Angelikawurzel bis Zucker und dazu soviel Alkohol, wie in einem Sherry steckt. Doch gerade dieser Wirkstoffmix nimmt Fachleute gegen Stärkungsmittel ein. „Die Vielzahl der Inhaltsstoffe macht eine pharmakologische Beurteilung nahezu unmöglich“, schreibt die Apotheker- Zeitung Beratung aktiv. Und der kritische Medikamenten-Ratgeber Bittere Pillen führt mögliche Wirkungen vor allem auf Einbildung zurück. Öko-Test hat 29 Stärkungsmittel unter die Lupe genommen. Ergebnis: Kein einziges kann empfohlen werden. Die meisten enthalten Alkohol, neun wurden wegen zweifelhafter Wirksamkeit abgewertet, bei 17 Produkten macht die Rezeptur unter medizinischen Gesichtspunkten keinen Sinn. Unter wirtschaftlichen dagegen schon.
Die Marktforschung, gesteht Pharmazeut Ulrich Frigolin von Rhone Poulenc, mische bei der Zusammenstellung der Mittelchen kräftig mit. Wenn Vitamine, Eisen und Kräuter beim Kunden hoch im Kurs stehen, dann soll er eben auch Vitamine, Eisen und Kräuter bekommen. Rhone Poulenc, Hersteller der Biovital-Produkte, fährt, wie auch andere Firmen, gut mit dieser Strategie. 112 Millionen Mark Umsatz brachten die Mittelchen bei einem stolzen Literpreis von 30 Mark der Branche 1991 ein.
Arzneimittelexperte Dr. Gerd Glaeske hält von Kombinationspräparaten überhaupt nichts. Stärkungsmittel mit nur einem Wirkstoff sind zumindest vom Ansatz her besser, weil sie für eine gezielte Therapie taugen könnten. Empfehlen mag Glaeske aber auch die nicht. „Ihre Wirksamkeit ist nie vernünftig belegt.“
So besitzt zwar die Ginsengwurzel, ein Mittel der traditionellen chinesischen Medizin, einen schillernden Ruf: sie stärkt angeblich die Potenz, hilft gegen das Altern und steigert die Widerstandsfähigkeit. Auch Lezithin soll wunderbare Wirkungen entfalten. Es unterstützt angeblich den Zellstoffwechsel und verbessert Merkfähigkeit und Konzentration. Für beide Substanzen gilt jedoch: Der therapeutische Nutzen ist nicht ausreichend belegt. Im Gegenteil: Ginseng kann bei hoher Dosierung Durchfall, Schlaflosigkeit oder Hautausschlag auslösen.
Tatsächlich aber ist Alkohol oft der einzig wirksame Inhaltsstoff von Stärkungsmitteln. „Manche ältere Damen würden sich nicht zugestehen, abends zwei Glas Wein zu trinken“, vermutet Professor Fähgen von den Sankt-Antonius- Kliniken in Velbert-Neviges. Fähgen sieht die Dinge pragmatisch. Wein wäre zwar billiger, aber: „Wenn sie Geld haben, warum sollen sie es nicht ausgeben?“
Dr. Gerd Glaeske mag da nicht zustimmen: „Alkohol hat in Arzneimitteln nichts zu suchen.“ Er verführt zum Mißbrauch und kann die Wirkung von Medikamenten gefährlich verstärken. Wer tatsächlich schlecht schläft oder oft müde ist, sollte zum Arzt gehen. Gegen Vitaminmangel hilft eine ausgewogene Ernährung besser als ein Stärkungssaft. Martina Keller
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