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Die Kraft der Steine

Man lege uns Steine in den Weg – sofern sie zu den edleren gehören, denn sie helfen und heilen  ■ Von Friederike Pahl

Daß der tiefrot funkelnde Granatschmuck aus der Mode gekommen ist, ist mehr als bedauerlich. Denn schließlich wird diesen Steinen die Eigenschaft zugesprochen, Willensfestigkeit und Erfolg zu schenken. Und er schützt vor Herzkrankheiten und Infektionen. In der Tat wird Edelsteinen und Halbedelsteinen in der esoterischen Heilkunde eine vielfältige Wirkung nachgesagt. In der mittelalterlichen Medizin wurden sie sogar mit diversen anderen Zusätzen pulverisiert und je nach Heilwirkung dem Patienten verabreicht.

Die Kräfte der Steine sind nicht willkürlich bestimmt, sondern über Farbe, chemische Zusammensetzung und Form der Kristalle definiert. So sollen beispielsweise rote Steine auf das Kreislaufsystem einwirken und Wunden heilen. Daß die rote Farbe hauptsächlich durch Eisen und/oder Mangan hervorgerufen wird, macht diese Zuordnung plausibel. Schließlich setzt sich auch der Kern des Blutmoleküls Häm aus Eisen zusammen. Der Bergkristall, der aus reiner Kieselsäure besteht, beeinflußt Haut und Nervensystem. Türkis und Malachit (kupferhaltig) machen gelassen und wirken krampflösend. Der Türkis soll sich verfärben, wenn sein Träger krank ist. Da Kupfer bei Reaktionen mit bestimmten Stoffen, die aus der Haut ausgeschieden werden, oxidiert, scheint das durchaus wahrscheinlich.

Empfehlenswert als Geschenk für störrische Mitmenschen ist beispielsweise ein Katzenauge: es bringt Einsehen in die eigenen Fehler. Oder muß man vor Gericht, so nehme man ein Stück Jade mit, wie es schon die alten Chinesen hielten: es zieht das Recht an. Für Schussel und Denkfaule ist der Smaragd ausgezeichnet, denn von ihm werden Stärkung von Verstand und Gedächtnis erwartet; und für Verliebte eignet sich der Rosenquarz, er steigert die romantischen Gefühle und katapultiert seinen Träger auf Wolke Nr. 7 (Das ist doch keine Krankheit, was hilft denn vielmehr bei der unglücklichen Verliebtheit, fragt sich schon wieder die Säzzerin). Vor einem Zahnarztbesuch empfiehlt sich dann das Anlegen eines funkelnden Aquamarins, er ist gut für die Zähne und hat noch den angenehmen Nebeneffekt, das Eheglück zu fördern. Nach einer durchzechten Nacht hat der geübte Kneipengänger immer einen Amethyst parat: er stärkt die Leber und den Magen, sorgt für erfrischenden Schlaf und verhindert weitere alkoholische Exzesse.

Der König der Steine ist natürlich der Diamant. In ihm sieht der Eingeweihte Geist und Wahrheit, er gibt Selbstbewußtsein, Macht und Stolz. Eigenschaften, die auch weniger Eingeweihte in ihm sehen, wenn man an die Preise denkt, die man für ein solches Prachtstück zahlen muß. Ein bißchen Selbstbewußtsein, ein wenig Stolz und ein Hauch von Macht können sich aber auch diejenigen leisten, die nicht soviel Geld parat haben. Der Markasit, der glitzernde Verwandte des Diamanten, ist schon für etwas weniger Vermögen zu haben. Ließe man ihn noch ein paar Millionen Jahre in der Erde ruhen, würde vielleicht ein kleiner Diamant aus ihm. Ob solcher Zeiträume sollte man jedoch nicht in Depressionen verfallen. Man kaufe sich dann bitte einen Lapislazuli, der diesem Gemütszustand entgegenwirkt und zur Güte und Hilfsbereitschaft verhilft. Das ist doch auch mal was.

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