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Neue Umzugsdebatte „dumm und blamabel“

■ Diepgen versichert: Kanzler hält an schnellem Umzug fest/ Auch Rita Süßmuth für „planmäßigen“ Ortswechsel/ Vorwurf der Hauptstadtlüge ist „Windei“

Berlin. Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) ist nach den Worten des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU) jüngsten Spekulationen über eine Verzögerung des Regierungsumzugs entgegengetreten. Trotz zunehmender finanzieller Lasten durch den Aufbau Ostdeutschlands halte der Kanzler „weiter an einem schnellen Umzug der Regierung und des Parlaments von Bonn nach Berlin fest“, versicherte Diepgen gegenüber der Welt am Sonntag. Im Süddeutschen Rundfunk äußerte er sich überzeugt, daß der Kampf um Berlin oder Bonn als Regierungssitz zu Ende sei, auch wenn es noch ein paar Nachhutgefechte gebe. Kohl werde wie versprochen 1994 in Berlin sein, „darauf wette ich“.

Diepgen und Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) hatten Kohl am vergangenen Donnerstag über den neuesten Stand der Umzugsvorbereitungen informiert. Bei seinen Gesprächen in Bonn sei er auch mit Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth einig gewesen, daß der Ortswechsel des Parlaments „planmäßig vollzogen werden muß“, sagte Diepgen. Der Beschluß des Bundestags vom 20.Juni 1991 zum Aufbau des Regierungs- und Parlamentssitzes in Berlin sei „unumkehrbar“. Unter Hinweis auf die Investoren warnte er davor, den Umzug von Regierung und Parlament durch „neuerliches Geschrei“ in Frage zu stellen. Er könne investitionswillige Unternehmen nicht ständig hinhalten. Durch „mutwillige Diskussionen“ um Verzögerungen des Umzugs entstehe für Berlin und das Umland „erheblicher Schaden beim notwendigen wirtschaftlichen Aufbau“. Allein im Zentrum der Hauptstadt stünden derzeit Gesamtinvestitionen von über 30 Milliarden Mark an. – Zu Schätzungen, der Umzug könne zwischen 20 und 50 Milliarden Mark kosten, sagte Diepgen: „Ich halte nichts von Zahlenspielereien. Die konkreten Kosten hängen davon ab, welche Gebäude in Berlin genutzt werden, welche Ergebnisse die Bauwettbewerbe bringen, gerade auch für die Gestaltung des Reichstags.“ Bei der Finanzierung müsse man sich „auf preußische Tugenden besinnen“.

Den Vorwurf, die Politiker lebten inzwischen mit einer „Hauptstadtlüge“, wies Diepgen scharf zurück: „Ein Windei. Wir haben offensichtlich in Deutschland einen Trend, jedes komplizierte Thema, an dessen Umsetzung intensiv und manchmal notwendigerweise kontrovers gearbeitet wird, mit irgendwelchen spektakulären Etiketten zu versehen“. Zwar werde es in zwei Jahren noch kein fertiges Kanzleramt in der deutschen Hauptstadt geben, sagte Diepgen am Sonntag im Süddeutschen Rundfunk. Aber daß dann ein Amtssitz für den Regierungschef endgültig festgelegt sei, daß auch sein Wohnsitz feststehe, daß in Berlin Staatsgäste vom Kanzler empfangen werden – „darauf wette ich“. Er fände es „dumm und bamabel“, wenn einzelne Abgeordnete in der nächsten Legislaturperiode versuchen sollten, den Umzugsbeschluß aus Kostengründen zu revidieren. Wer die Entscheidung jetzt noch hinauszögere, mache die Sache für den Steuerzahler nur noch teurer. adn

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