■ Von Sternguckern und roten Eichhörnchen: Leben noch Heiden im Weltraum?
Köln (taz) – Der Vatikan baut eine neue Sternwarte. Braucht er dringend, denn die Sterngucker im Vatikanischen Observatorium in Castel Gandolfo leiden unter Linsentrübung. Die starke Lichtabstrahlung der vielen Wochenendhäuschen in der Nachbarschaft des Ortes, der ja auch die päpstliche Sommerresidenz beherbergt, sowie eine zunehmende Luftverschmutzung verhindern tiefere Einblicke in den Himmel.
Für das neue Vatican Advanced Technology Telescope (VATT) hat sich Jesuitenpater George Coyne, der oberste Astronom des Papstes, einen Berg in Arizona ausgeguckt, der die Kölner Domtürme um 3.000 Meter überragt. Famoses Plätzchen, dieser Mount Graham: trockene klare Luft, ein Sternenhimmel, wie ihn Moses auf dem Berg Sinai nicht schöner gesehen haben kann. Und das renommierte Max-Planck-Institut ist beim internationalen Observatorium auch mit von der Partie.
Im Herbst 1989, als die Architekten schon die Pläne für die Sternwarte gezeichnet hatten, wurde der Berg plötzlich „heilig gesprochen“. Eine Handvoll Indianer, die sich „Apache Survival Coalition“ nennt, behauptete, ihre Ahnen hätten schon zu Geronimos Zeiten auf „Dzil nchaa si an“ (Großer sitzender Berg) ihre Toten bestattet und Initiationsriten durchgeführt. Sollen sie auch weiter tun, meint der tolerante Jesuit Coyne. Aber doch nicht ausgerechnet an dem Platz, an dem das Specola Vaticana errichtet wird. „Das Land ist eine Gabe Gottes und sollte mit Verstand und Respekt genutzt werden“, belehrte der Pfaffe die roten Brüder.
Der fromme Astronom sieht hinter der ganzen Geschichte eine Verschwörung ketzerischer Umwelt- und Naturapostel, die vorgeben, sich für den Schutz bedrohter Arten einzusetzen, in Wirklichkeit aber brave Indianer – unter ihnen zahlreiche Katholiken! – gegen Wissenschaft und Kirche aufhetzen. So sympathisch uns das rote Eichhörnchen auf dem Mount Graham auch sein mag – beim internationalen Observatorium geht es doch um Wissenschaft im Dienste der Menschheit. Da ist endlich die Chance, mit dem VATT der Entstehung des Universums auf die Spur zu kommen!
Außerdem wäre es doch möglich, daß die päpstlichen Sterngucker einen Stern entdecken, auf dem noch Heiden leben. Die könnten sie dann mit dem nächsten Space-Shuttle-Flug missionieren. Markus Dufner
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