Die Motzkis von der CDU

■ ARD und ZDF sollen den sich ausdifferenzierten Kommerzmarkt nicht stören

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerät im neuen Jahr unter massiven Beschuß konservativer Politiker. Den Anfang machte Wolfgang Schäuble, Vorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion, in einem Weihnachtsinterview der BamS. Er könne „keinen Unterschied mehr im Programm“ von ARD und ZDF erkennen, deshalb stelle sich die Frage, warum „noch Fernsehgebühren kassiert werden“. Als nächster trat Bundeskanzler Kohl in die Arena. Der ehemalige ZDF-Fernsehrat und Freund des Kommerzfunkgiganten Leo Kirch entdeckte plötzlich den mangelnden Einfluß der GebührenzahlerInnen – den Ausschluß der Parteienvertreter aus den Aufsichtsgremien forderte er aber nicht. Es gehe ihm um die „Fragestellung, ob das bisherige System das richtige ist“.

Kohls CDU-Staatssekretär im Justizministerium Reinhard Gröner fordert derweil eine neue „Medienethik“, die sich nicht auf Personalpolitik bei der Besetzung von Redaktionsposten und Aufsichtsgremien reduzieren dürfe. Auch CDU-Verkehrsminister Günther Krause aus dem Osten erhob im rechtsgerichteten Berliner Kommerzradio Hundert,6 schwere Vorwürfe gegen die durch „Zwangsabgaben“ finanzierten öffentlichen Sender: „Ideologische Einseitigkeiten bei der Begleitung des Einheitsprozesses“ warf er ARD und ZDF vor. „Wer noch vor drei Jahren kommentiert hat, daß es in Deutschland für immer zwei deutsche Staaten geben muß, von dem kann man heute nicht erwarten, daß er mit den Problemen des einen Deutschland fertig wird, das er im Herzen gar nicht will.“

Damit schlägt Krause in die gleiche Kerbe wie die Umfrage-Päpstin Noelle-Neumann, die unlängst als Kronzeugin bei einer CDU-Podiumsdiskussion im Reichstag den Medien die Schuld an der miesen Einheitsstimmung und an der „Mauer im Kopf“ gab. Im Reichstag forderte die CDU-Basis von den Intendanten mehr „Positives“. Statt über Arbeitslosigkeit zu berichten, sollten die Öffentlich- Rechtlichen mehr Reportagen über Betriebsgründungen bringen und „die schöne Heimat im Osten“ zeigen.

Sind Kohl und Schäuble nur beleidigt? Der eine über einen SWF- Kanzlermörderfilm, der andere über einen ZDF-Kommentar zur Asylpolitik? Diese Erklärung für den rechten Rundfunk-Amoklauf reicht dem Vorsitzenden des Deutschen Journalisten Verbandes (DJV), Hermann Meyn, nicht aus. Für ihn verrät diese Methode „eine Strategie, die darauf abzielt, die öffentlich-rechtlichen Anstalten in rechte öffentliche zu verwandeln“.

Die Finanzkrise bei ARD und ZDF führt zu Streichungen beim Personal und Einsparungen, die sich auf die Programme auswirken. Gleichzeitig explodieren die Preise, sie stiegen beim ZDF innerhalb von acht Jahren für Spielfilme um 75 und Serien um 50 Prozent. Angesichts der Wirtschaftskrise ist die Bereitschaft in der Bevölkerung für eine Gebührenerhöhung gering und muß, wie die gewünschte Ausdehnung der Werbezeiten, durch die Ministerpräsidenten genehmigt werden. Diese Situation macht die Anstalten noch erpreßbarer.

ARD und ZDF versuchen, mit der Programmvermehrung der Kommerziellen Schritt zu halten. So sollen jetzt das Erste und Zweite Programm per Satellit ausgestrahlt werden. Umgehend folgte die Reaktion von rechts: Der CDU-Intendant der Deutschen Welle, Dieter Weirich – ehedem medienpolitischer Sprecher der christlichen Bundestagsfraktion – protestierte gegen die Satellitenpläne. Er will der vom Bund finanzierten Deutschen Welle das Monopol für das Auslandsfernsehen erhalten und hält die Pläne bei ARD und ZDF für „verfassungsrechtlich problematisch“. Dabei sekundierte ihm sein Nachfolger in der CDU-Fraktion, Joseph-Theodor Blank, der von „rechtswidrigem Expansionskurs“ sprach.

Letztlich aber ist Weirich auf die Zusammenarbeit mit ARD und ZDF angewiesen. Er will sein TV- Programm für die Welt mit Sendungen der Öffentlich-Rechtlichen füllen, da ihm der Bundestag seinen Etat um drei Prozent, 15 Millionen Mark, kürzte. ARD- Programmdirektor Günter Struve wiederum möchte mit der Deutschen Welle seine Pläne für einen ARD-Informationskanal verwirklichen.

Also alles nur folgenloser Theaterdonner? Die Politiker lassen ihre Muskeln spielen, um die Öffentich-Rechtlichen an die Abhängigkeit von ihrem Willen zu erinnern. Zusätzliche Programme von ARD und ZDF könnten zu einer weiteren Zersplitterung der Einschaltquoten durch die stetig steigende Zahl der Sender führen. Die werbetreibende Industrie wird nicht mehr bereit sein, die derzeitigen Preise für die TV-Spots bei den von den Christdemokraten gepuschten Kommerziellen zu bezahlen. Nachdem kaum noch mit zusätzlichen „Vollprogrammen“ wie Sat.1 oder RTL zu rechnen ist, geht es jetzt um den Markt für Spartenkanäle im Stile von n-tv oder Vox. Hierbei stört eine öffentlich-rechtliche Konkurrenz, was eine Erklärung für die derzeitigen Attacken der CDU-Politiker auf ARD und ZDF sein dürfte. Zudem gerät die Medienkonzentration immer mehr ins öffentliche Blickfeld. Da kann Druck von rechts auf die öffentlich-rechtlichen nicht schaden... Philippe Ressing