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Ein Zuschauer wie alle anderen auch

■ Hans-Dieter Witt, der den „Waffenstillstand“ von Rostock „vermittelte“, agierte aus Angst um sein Auto und aus Sorge um die deutschen Anwohner

Er sitzt breitbeinig im Fernsehsessel, verfolgt aus den Augenwinkeln den Liebesakt der Eisbären, hat die Arme auf die Sessellehnen gelegt und politisiert: Hans-Dieter Witt, der Vermittler von Rostock. Das Desaster von Lichtenhagen wäre „vermeidbar gewesen“, sagt Witt. Die Schweriner Regierung müsse endlich sagen, „daß sie versagt hat“ und Neuwahlen zulassen. Das tue sie aber nicht, „weil dann ja deren Hinterbänkler im Parlament arbeitslos würden“. So wie Witt, der 44jährige, der vor der Wende als Schlosser im Rostocker Seehafen gearbeitet hat, seit 1989 mit seiner Familie in einem der Neubaublocks wohnt und – wie so viele Lichtenhagener – randvoll ist mit Frust, mit Fremdenfeindlichkeit und Perspektivlosigkeit.

Witt hat am Freitag, bevor es in Lichtenhagen „losging“, beim Rostocker Innensenator Magdanz (SPD) angerufen und dem Senator persönlich gesagt, daß es am Samstag Gewalt gäbe an der ZASt (Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber) im Wohngebiet. Und daß Magdanz dafür sorgen solle, „daß die Asylanten hier erstmal wegkommen“, am besten in die ehemaligen NVA-Kasernen „nach Prora“ auf Rügen, dahin, wo sie niemand sieht. Daß er zu jener Lichtenhagener Bürgerinitiative gehörte, die mit entsprechenden Ankündigungen in der Rostocker Presse die rechten Randalierer mobilisierte, bestreitet Witt energisch. Daß ihn „die Zigeuner“ genervt haben, bestreitet er nicht und auch nicht, daß er in den ersten beiden Nächten keineswegs eingegriffen hat. Daß er vielmehr – wie alle anderen – zugeguckt hat, mal am Fernseher, mal am Fenster und mal unten und so unglücklich dabei nicht war.

Erst in der dritten Nacht wurde Witt aktiv. Er hatte gemerkt, daß die Gewalttäter „auf alles einschlugen, was ihnen in die Quere kam“. Nicht nur seinen Audi sah er in Gefahr, auch die Wohnungen neben der ZASt, in denen Deutsche und – wie ihm durchaus bekannt war – auch die Vietnamesen wohnten. Witt schnappte sich einen der Randalierer, von dem er den Eindruck hatte, „daß der da in vorderster Front agierte“, ging mit ihm zu den Polizeieinheiten, die zu dem Zeitpunkt auf der S-Bahn-Brücke standen, und setzte jene Verhandlungen in Gang, die in den letzten beiden Wochen als das ominöse Abkommen Aufsehen erregte, aufgrund dessen sich – so mehrere Zeugenaussagen – die Polizei von der ZASt zurückgezogen hatte. Witt schlug einen 45minütigen Waffenstillstand vor.

Die Polizei solle den Jugendlichen zeigen, daß die ZASt leer sei. Noch während die Verhandlungen liefen, steckten jedoch die Gewalttäter die ZASt und die daneben liegenden Wohnungen der Vietnamesen in Brand. „Da wußte ich“, sagt Witt, „jetzt ist alles vorbei.“ Er ging wieder nach Hause und guckte weiter zu. Daß er sich erst jetzt gemeldet habe, begründet Witt damit, er wolle dem Einsatzleiter Jürgen Deckert zu Hilfe kommen, der nicht schuld an dem Desaster sei. Der Polizei hatte er sich in jener Nacht mit Namen und Adresse vorgestellt. Niemand jedoch hatte die Angaben vermerkt, so daß Witt bis Anfang dieser Woche als der anonyme Anrufer gesucht wurde, der den „Pakt von Rostock“ eingerührt haben sollte. Tatsächlich aber hat die Polizeiführung mit einem verhandelt, der, in der dritten Randale-Nacht, nicht mehr und nicht weniger Einfluß auf die Randalierer hatte als jeder andere.

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