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Hirschgeweih mit Bedienungsanleitung

■ Am Dobben locken drei Männer in ihrem „anderen Blumenladen“ mit italienisch-poetischer Exzentrik zu phantastischen Käufen

Norbert, Paolo und Jens - die drei vom BlumenladenFoto: Jörg Oberheide

Der arme Prinz hatte nicht viel zu verschenken, um das Herz der Prinzessin zu erobern, aber in seinem Garten wuchs eine wunderschöne Rose, die schnitt er ab und trug sie zur Prinzessin, welche so lange begeistert war, und „gut gemacht“ sagte, bis ihr der wilde Rosenduft in die Nase stieg und sie ausrief: „Pfui, die ist ja echt!“ und das Geschenk zurückwies.

Das war in einem Märchen von Hans Christian Andersen, die Nachfolgerinnen der „echten“ Rose aber lassen sich in der Wirklichkeit wiederfinden, einem ungewöhnlichen Blumenladen Am Dobben, dessen Kunden die Märchenrosen lieben und schätzen und zuhauf einkaufen.

Eine Rose ist ja nicht einfach eine Rose. „Holländische Ware

die drei

jungen

männer

haben wir kaum“, sagt Norbert, dem zusammen mit Jens der „andere Blumenladen“ gehört, „diese hier (dickstielig, großblättrig, sattfarbig, „wie gemacht“) kommen aus dem Alten Land. Das sind Freilandzüchtungen, urwüchsige Rosen, die ganz langsam hochwachsen dürfen.“

Der „andere Blumenladen“ hat etwas Verwunschen-phanta

stisches. Der erste Frühjahrslavendel steht neben Rittersporn und blütenreichem Phlox. Orangene Tulpen teilen sich das Wasser mit Zweigen voller schwarzer Ligusterbeeren und der pummelig-grünen Albiflora. Gelber und zartrosa Ginster, Margariten, rostrote „Känguruh-Füße“ und flirrendweißer Flieder; knallige Bananenblüten, pfirsichfleischfarbene Papageienblumen und ganz einfach Vergißmeinnicht: Die scheinbar zufällig in vielen Krügen, Vasen, Schalen, hohen und tiefen Töpfen verteilte, ja hingegossene Blumenvielfalt erinnert an italienische Stilleben des 16. Jahrhunderts, an die blumengeschmückten Knaben bei Caravaggio.

Diese Assoziation ist kein Zufall: nicht nur ist Norbert bei einer italienischen Floristin in die Schule gegangen, auch der Angestellte Paolo ist Italiener und viele der im Bremer und Hamburger Blumengroßmarkt sorgfältigst ausgesuchten und so malerisch arrangierten Pflanzen kommen aus Italien. Außerdem machen sich Jens, Paolo und Norbert mindestens zweimal im Jahr auf in das Sonnenland, um Keramik und allerlei Blumenliebhaberzubehör zu suchen.

Norbert und Jens hatten bis 1992 einen Blumenladen draußen in Kattenesch und eroberten sich ausgerechnet dort eine Stadtmitten-Stammkundschaft, die energisch den Umzug ins Viertel forderte. „Kollegen lächeln ja oft über uns“ lächelt Norbert siegesgewiß, „über unsere spielerische Blumenauswahl und auch über unsere freie Bindung. Die finden sie etwas unprofessionell, wir aber nennen sie italienische Bindung“.

Freie Bindung, das ist nicht die runde Bindung, nicht der „formal-linear“, gestaffelte Strauß und kein „Strukturstrauß“, mit gleichfarbigen Blütenflächen. Die „vegetative“ Bindung kommt ihr wohl am nächsten: eine schöne Mischung aus einzelnen Blumen, viel Grün, das hinter dem Verkaufstresen lagert (Farne, breite Monstra-Blätter, das lange Bergras, Efeu, Buxbaum Eukalyptus, Papyrus, 10 verschiedene Äste), und — da kommt zum Beispiel ein Kunde rein: „Was für 12 Mark“ — und Norbert greift ohne zu zögern nach zwei rosa Tulpen, einer weißen Rose, etwas Ginster, etwas Bergras, fertig ist ein zarter Liebesstrauß.

Ununterbrochen sind KundInnen im Laden, die geschickt und einfühlsam bedient werden (manche haben ja doch speziellere Wünsche, und nicht zuletzt reizt die Blumenauswahl sehr zu eigenem Kombinationsehrgeiz). Ein junges Pärchen will was „Ausgefallenes“ und bekommt ein Arrangement rund um eine dicke rote Bananenblüte. Eine andere Frau holt einen Primeltopf: „Ach, schneiden Sie doch die hängenden Blätter ab“ — „Aber nein“, sagt Norbert, „das wäre doch grausam, die müssen so hängen“. Eine dritte Frau verlangt ein „Hirschgeweih“, samt „Bedienungsanleitung“ und schleppt einen Farntopf aus dem Laden. Haben die drei Männer aus dem Blumenladen nicht manchmal Angst, daß ihre exklusive Ware verwelkt, bevor sie unter die Leute kommt? — Nein, eher gibt es fast zuviel zu tun und: „es ist so schwer, einen weiteren guten Floristen für unseren „anderen“ Laden zu finden“, so Jens und Norbert, die darauf natürlich in Wirklichkeit stolz sind. Cornelia Kurth

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