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Kampf gegen Wuchermieten

■ Langericht bestätigt Urteil gegen "Immobilien Braun" auf Rückzahlung überhöhter Miete / Behörden oft leidenschaftslos / Was ist Mietwucher

Berlin. 1.300 Mark vom monatlichen Einkommen von 2.100 Mark netto zahlt die polnische Familie P. in Tempelhof für eine 90-Quadratmeter-Wohnung ohne richtiges Bad, obwohl im Berliner Mietspiegel für entsprechende Ausstattung und Lage nur 550 Mark veranschlagt werden. Weil die von ihr eingeschalteten Bezirksbehörden keine rechtlichen Schritte unternommen hätten, wandte sich die Klavierlehrerin der P.s, Werena Wenk, an die Öffentlichkeit. In der taz hatte sie gelesen, daß die Berliner MieterGemeinschaft kürzlich einen Prozeß gegen die „Immobilien Braun“ wegen der Verwendung unzulässiger Klauseln in Mietverträgen gewonnen hat. Die „Immobilien Braun“ ist auch Vermieterin der polnischen Familie P. Zusammen mit den anderen MieterInnen des Blocks an der Tempelhofer Renate-Privat- und Burmeister Straße will sie nun gegen die überhöhten Mieten der Firma zu Felde ziehen.

Auftrieb könnte den Mietern ein Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Oktober vergangenen Jahres geben. Darin wird in zweiter Instanz ein Urteil bestätigt, das ein Mieter am Neuköllner Weigandufer wegen überhöhter Miete beim Amtsgericht Neukölln erstritten hat. Vermieterin auch hier: die „Immobilien Braun“. Harald L. (Name von der Red. geändert) war im März 1991 in die gerade frisch modernisierte Wohnung im sogenannten „Werra-Block“ gezogen, in dem zuvor 100 Wohnungen leergestanden haben (die taz berichtete). Für die 34 qm kleine Wohnung verlangte die „Immobilien Braun“ 559,73 Mark kalt. Harald L., der zunächst den Mietvertrag unterschrieben hatte, verklagte daraufhin die Vermieterin auf Rückzahlung der überhöhten Miete. Das Amtsgericht Neukölln gab der Klage statt.

Begründung: Die Zulässigkeit der Miete bemesse sich, sofern der Vergleichsmietzins überschritten werde, nach Paragraph 5 Wirtschaftsstrafgesetz. Dieser „Wucherparagraph“ legt fest, daß der Tatbestand des Mietwuchers dann vorliegt, wenn die verlangte Miete 20 Prozent über der „ortsüblichen Vergleichsmiete“ liegt. Umstritten ist freilich, wie diese Vergleichsmiete zu ermitteln ist. Während die mieterfreundliche Rechtssprechung vom Mittelwert des Mietspiegels ausgeht, akzeptieren andere Richter vom Vermieter benannte Vergleichsmieten oder fordern die Erstellung teurer Rechtsgutachten. Im Fall von Harald L. ging das Amtsgericht davon aus, daß die Heranziehung der Obergrenze des Mietspiegels unzulässig sei. Darüber hinaus sei nach Paragraph 242 BGB der Vermieter verpflichtet, „Auskunft über die bisherige Miete und die Zusammensetzung der Modernisierungskosten zu erteilen und dies durch geeignete Belege (...) nachzuweisen“.

Das Landgericht Berlin, das die Berufung der „Immobilien Braun“ ablehnte, klammerte die strittige Frage der Berechnungsgrundlage freilich aus, sondern argumentierte allein mit der zu hoch angesetzten und nicht durch entsprechende Rechnungen belegten Umlage der Modernisierungskosten.

Damit die Mieter künftig wissen, wann eine Miete überhöht ist und wann Mietwucher vorliegt, fordert Gerhard Heß von der Berliner MieterGemeinschaft eine gesetzliche Festlegung der ortsüblichen Vergleichsmiete. „Dabei muß der Mittelwert des Mietspiegels die entscheidende Berechnungsgrundlage sein“, so Heß. Eine solche Regelung würde nach Ansicht Heß' auch den Spielraum der Wohnungsämter vergrößern. Die müßten nämlich, um entsprechenden Anzeigen von Mietern nachzugehen, vor Gericht oftmals teure Gutachten vorlegen und raten den Mietern deshalb lieber, vorn vornherein zivilrechtlich gegen die Vermieter vorzugehen. Uwe Rada

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