piwik no script img

■ Cash & CrashWendezeit am Börsenhimmel

Naht der Frühling, kommen an der Börse die Kurse in Schwung. Mit einer verblüffenden Regelmäßigkeit klettern die Notierungen zu bestimmten Zeiten des Jahres. Eigentlich könnte man fast meinen, es seien die lyrischen Ambitionen der in Nadelstreifen gekleideten Börsenzocker, die mit dem nahenden Frühlingserwachen derzeit die ungewöhnliche winterliche Börsenbaisse vergessen lassen. Um gut zehn Prozent ist der Deutsche Aktienindex (Dax) seit Dezember emporgeschnellt, und angesichts der miserablen Konjunkturdaten und Unternehmens-Performances versteht eigentlich niemand so recht, warum. Die Analysten jedenfalls drehen hinsichtlich der ökonomischen Lage ihre Daumen nach unten. Derzeit scheint aber der extreme Pessimismus noch das Positivste zu sein, auf das jetzt verwiesen wird, weil ansonsten überzeugende Kaufargumente fehlen: so schlimm wie erwartet wird es schon nicht kommen. Zwar hat die von allen Seiten angefeindete Bundesbank ihre Leitzinsen ein wenig gesenkt, aber das allein kann die Phantasie der Börsianer nicht beflügelt haben. Vielleicht sind es nur die länger werdenden Tage, die die Analysten der Deutschen Bank Research meinen, wenn sie von „Aufhellung“ reden. Oder doch die Ausländer, die „im Wellental der internationalen Konjunkturen“ sich nun hierzulande mit Aktien eindecken, wie der Spiegel glaubt? Wie dem auch sei, welcher Anleger träumt nicht von der einfachen Regel, die ihn durch die Achterbahn des Börsengeschehens führt, ohne ihm dabei die Taschen zu leeren? Gerade saisonale Börsenmuster sind wegen ihrer Schlichtheit und Trivialität bei den Investoren besonders beliebt. In Amerika beispielweise haben sich die Börsenstatistiker längst einen Spaß daraus gemacht, die günstigsten Zeitpunkte für Aktienkäufe und -verkäufe zu errechnen. So verspricht etwa Thanksgiving ebenso satte Tagesgewinne wie die Nikolaus- Zeit. Der Herbst mit seinen Nebelschwaden bleibt stets eine schlechte Zeit für gute Geschäfte, und spätestens im Frühsommer ist es höchste Zeit, sich von diversen Aktienpaketen wieder zu trennen, bevor die Hitze die Börse austrocknet. Auch der Montag schneidet, seit jener schwarze Wochenbeginn im Jahre 1987 den größten Börsenchrash auslöste, immer ganz schlecht ab, während sich der Freitag trotz ebenfalls schlechter Erinnerungen für Kursmitnahmen geradezu anbietet.

Mit den Börsen-Sprüchen sei es wie mit den Bauern-Regeln, sagen die Spötter, die Treffer könne man wie beim hundertjährigen Kalender an einer Hand abzählen. Den Lästerern aber wird ihre Schadenfreude schon vergehen, wenn sie mitanschauen müssen, wie die Schnäppchenkurskäufer von heute in drei Monaten womöglich satte Gewinne einstreichen können, wenn es wieder einmal hießt: Sell in may and go away. Unser Börsentip: Setzt ein Monat Tage frei, ist der Februar vorbei. Erwin Single

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen