: Der blau-weiße Easy Rider
■ Bayerns Max Streibl erhielt auch BMW-Motorräder „zu Testzwecken“/ Versorgung der Ministerien mit Firmenfahrzeugen war „übliche Praxis“
München (taz/dpa) – Bürgerinnen und Bürger von München, Obacht! Braust Euch auf den Straßen der bayerischen Landeshauptstadt ein tollkühner Motorradfahrer etwas rüde über den Weg, seht künftig erst einmal von deftigen Flüchen und obszönen Gesten ab. Es könnte sich um den Landesvater persönlich handeln. Mehrfach, so bestätigte gestern eine Sprecherin des Ministerpräsidenten, habe Max Streibl (CSU) von BMW neue Motorräder „zu Testzwecken“ erhalten.
Es sei „übliche Praxis“, daß Hersteller den Ministerien Fahrzeuge zur Verfügung stellten, erläuterte der Ministerrat der bayerischen Staatsregierung gestern vor Beginn einer Kabinettssitzung. Übliche Praxis war es offenbar auch, daß die Würdenträger außerhalb ihrer Dienstzeit mit den PS-starken Schmuckstücken Staat machten. Das Kabinett stellte in seiner Erklärung ausdrücklich fest, daß die Dienstfahrzeuge von Regierungsmitgliedern auch privat genutzt werden könnten. Der geldwerte Vorteil sei nach den gesetzlichen Bestimmungen zu versteuern.
Die Süddeutsche Zeitung hatte berichtet, daß Ministerpräsident Max Streibl nach BMW-Angaben über Jahre hinweg zu „einem besonderen Kundenkreis“ gehört habe, für den der entsprechende Service gelte, und äußerte den Verdacht, es gebe einen Zusammenhang zwischen den Leihfahrzeugen und der Entscheidung der CSU gegen ein Tempolimit auf Autobahnen. Erst am Freitag hatte Innenminister Edmund Stoiber eingeräumt, daß er für Urlaubsfahrten kostenlos Autos von großen Herstellern bekommen hatte.
Der Ministerrat wies ein Ultimatum der SPD zurück, die der Staatsregierung und den CSU-Abgeordneten eine Frist bis heute gesetzt hatte, um alle Urlaubsreisen auf Kosten Dritter ans Licht zu bringen. Finanzminister Georg von Waldenfels sagte, er werde nicht von sich aus wegen angeblicher Abgeordneten-Reisen auf Kosten eines Münchner Reiseunternehmens tätig werden: „Ich sehe nicht ein, daß ich aufgrund von anonymen Hinweisen die ganze Wucht des Staates auf Politiker oder Journalisten losschicken soll.“
In einem Punkt konnte der Ministerrat die Bevölkerung immerhin beruhigen: „Lediglich der guten Ordnung halber“ werde darauf hingewiesen, daß „kein Mitglied der Staatsregierung Flugzeuge von MBB zu privaten Zwecken genutzt hat“. In der Luft sind die bayerischen Landeskinder also vor ihrem höchsten Testpiloten Streibl noch sicher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen