: Scoops
■ Neue „Unmögliche Interviews“
Die Gattung des Totengesprächs ist etwa so alt wie die Literatur und wurde Zeit ihres Lebens von den besten Autoren gepflegt. Telefon- und Radiointerviews sind Vermarktungen unserer Gelüste für das Aufhellen der dunklen Lücke zwischen Öffentlichkeit und Person, Werk und Autor, Geschichte und Psyche. Diese Verquickung wird in Italien geprobt: Umberto Eco unterhält sich mit Diderot über dessen Tätigkeit als Verleger der Enzyklopädie und tituliert ihn als ersten Kulturmanager, Maria Bellonci quatscht mit dem Psychopoliträtsel namens Lucrezia Borgia, Paolo Portoghesi mit Borromini, dem erfolglosen Rivalen von Bernini, Edoardo Sanguinetti mit der in dem zweiten Höllenkreis verharrenden Francesca da Rimini über das Lesen von Liebesromanen, Giorgio Manganelli mit dem ins Reich des Wunderbaren gereisten Marco Polo, Luigi Malerba mit dem dekadenten und extravaganten römischen Kaiser Heliogabal und Guido Ceronetti mit dem als Lucy Nevermore getarnten Jack the Ripper.
Die Autoren bemühen sich erst gar nicht, darüber zu spekulieren, was Lucrezia Borgia oder Diderot im Interview hätten sagen können, sondern schreiben geradeweg, was sie an diesen Figuren fasziniert. Die „unmöglichen“ Interviews sind also keine Lückenfüller, sondern Meditationen über individuelle Leidenschaften und ihre Überschneidungen mit der Geschichte.
Derartige literarische Spiele sind zur Zeit nicht gerade in Mode. Das ist schade, weil der vom Wagenbach-Verlag edierte kleine Band beweist, wieviel man sich von der Pflege alter Genres und Neuinterpretationen gattungsbedingter Zwänge versprechen kann. Spielerisch, kurz, klug: man kann sich nur mehr davon wünschen. Béatrice Durand
„So war es! War es so? Neue Unmögliche Interviews.“ Aus dem Italienischen von Marianne Schneider, Verlag Klaus Wagenbach, 92 Seiten, 19,80DM. Im selben Verlag ist bereits 1987 ein erster Band „Unmögliche Interviews“ erschienen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen