: Nur die Entlassungen sind sicher
■ Stahlunternehmer wollen zwei Jahre Zeit für Arbeitsplatzabbau/ Bundesregierung schaut zu
Berlin/Bonn (taz/dpa) – Trotz Autobahnblockaden und Dauerdemonstrationen: Die deutschen Stahlunternehmen sind fest entschlossen, Massenentlassungen durchzusetzen und dabei auch ganze Stahlstandorte dichtzumachen. „Standorte kann niemand garantieren“, verkündete der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Ruprecht Vondran, am Donnerstag nach einem Gespräch mit Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP). Die Stahlunternehmen sollen und wollen sich so schnell wie möglich auf ein „Konzept zur Marktbereinigung“ einigen. Die dafür notwendigen Verträge und Sozialpläne sollen im September unterschrieben sein, erklärten Vondran und Rexrodt vor der Presse.
Für die anschließende Abwicklung des Kapazitätsabbaus forderte Vondran für die Stahlindustrie zwei Jahre Zeit. Ein Jahr, wie die EG-Kommission vorgeschlagen habe, sei zuwenig. Vondran geht weiter davon aus, daß 25.000 bis 30.000 westdeutsche und 10.000 ostdeutsche Stahlarbeiter entlassen werden müssen, um die Reduzierung der Kapazitäten zu erreichen.
Welche Standorte letztlich geschlossen werden sollen, ist weiterhin offen. In Westdeutschland sind außer den Stahlwerken in Dortmund und Rheinhausen nun auch die Standorte in Siegen und Hagen der Krupp-Stahl AG gefährdet. Für das Stahlwerk im ostdeutschen Eisenhüttenstadt gab Rexrodt Entwarnung: EKO sei akut nicht in Gefahr. In Hagen fand gestern bereits eine Demonstration von 5.000 Leuten vor der dortigen Krupp-Zentrale statt. Im Ruhrgebiet gingen die Protestaktionen gegen den Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen weiter. Nachdem am Vorabend mehr als 27.000 Menschen auf der Straße waren, versammelten sich gestern nachmittag Hoesch-Stahlarbeiter in Dortmund, um mit einem Autokorso von der Westfalenhütte sowie den Werken „Phoenix“ und „Union“ zur Hoesch-Zentrale zu ziehen. Dort tagte der Aufsichtsrat des Konzerns.
Der Sprecher der Stahlunternehmer Vondran forderte von der Politik, bis Ende März die notwendigen politischen Rahmenbedingungen für die Unternehmensplanungen zu beschließen. Dazu gehöre, daß Marktanteile von einem Unternehmen auf ein anderes gegen Zahlungen für Sozialpläne, Bilanzhilfen und für alternative Arbeitsplätze übertragen werden könnten und der Anteil der Importe von derzeit 15 Prozent nicht steige.
Der Bundeswirtschaftsminister kündigte an, er werde am kommenden Donnerstag direkt nach der EG-Stahlministerkonferenz erneut mit der Stahlindustrie und den Gewerkschaften sprechen. Er zeigte Verständnis für die Angst der Branche vor Billigimporten. Die Bundesregierung sei jedoch gegenüber den USA und Osteuropa zu einer liberalen Handelspolitik verpflichtet. „Künstliche Barrieren“ seien nicht zu vertreten, man müsse eine „elastische Linie finden“. Eine Nationale Stahlkonferenz lehnte er erneut ab. Er sei „gegen spektakuläre Veranstaltungen“. Demgegenüber forderte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Lafontaine die Bundesregierung auf, unverzüglich Maßnahmen gegen die Billigimporte aus Osteuropa zu ergreifen.
Zur staatlichen Unterstützung von Sozialmaßnahmen in der Stahlindustrie sagte Rexrodt, die Bundesregierung habe seit Jahren jährlich etwa 200 Millionen DM dafür ausgegeben, davon 15 Prozent aus der EG-Kasse. Jetzt seien zur Lösung der Stahlkrise für die ganze EG 240 Millionen ECU (rund 480 Millionen DM) vorgesehen. „Darüber hinaus steht kein Geld zur Verfügung.“ Seiten 4, 5, 10 und 11
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