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Staatsferne preisgegeben

■ Nach der Wende schlossen viele kirchliche Ausbildungsstätten in den FNL

Die Wiedervereinigung hat den ostdeutschen Landeskirchen nicht nur die Kirchensteuer beschert, sondern auch die Schließung ihrer Ausbildungsstätten. Für die drei Kirchlichen Hochschulen in Naumburg, Leipzig und das Sprachenkonvikt Berlin ist die Auflösung beschlossen oder bereits vollzogen. Von den beiden Ausbildungsstätten für Gemeindepädagogik und den beiden Predigerschulen für die Pfarramtsausbildung auf dem zweiten Bildungsweg bleibt jeweils nur eine erhalten.

Die Aufgabe der Kirchlichen Hochschulen sei ein „Skandal“. „Die Kirche hat sich damit die Chance vertan, eine Ausbildung für ihre kirchliche Praxis selbst zu gestalten“, resümiert Eckart Reinmuth, Rektor der Kirchlichen Hochschule in Naumburg, die im Sommer schließen wird. Die nur noch in den theologischen Fakultäten der staatlichen Universitäten stattfindende Pfarramtsausbildung sieht er als entscheidenden Identitätsverlust. „Der Bund der Kirchen in der DDR hat 1990 den dringenden Wunsch geäußert, daß wenigstens eine der kirchlichen Hochschulen auf seinem Gebiet erhalten bleiben sollte“, beklagt er. Jetzt, nach dem Zusammenschluß mit der Evangelischen Kirche in Deutschland, sei davon nicht mehr die Rede.

Der zweite Bildungsweg für PfarrerInnen, zu DDR-Zeiten besonders bei denen gefragt, die aufgrund ihrer oppositionellen Haltung zum Regime kein Abitur machen konnten, wird nach wie vor genutzt. Da der Trend inzwischen aber wohl doch mehr zu den Universitäten gehe, reiche eine Predigerschule aus, so vermutet der Dresdener Oberkirchenrat Reinhold Fritz. Die 33 StudentInnen an der Predigerschule in Erfurt werden also ab dem Sommer nach Berlin umziehen müssen.

Wenig begeistert waren auch die Studierenden an der Ausbildungsstätte für Sozialfürsorger in Potsdam, als das selbst für DDR- Verhältnisse kleine Institut im Sommer 1991 geschlossen wurde. Nur ein Teil von ihnen konnte die Ausbildung an der Evangelischen Fachhochschule in Westberlin zu Ende führen; der Rektor weigerte sich, Studierende ohne Abitur aufzunehmen. Die anderen konnten an der Katholischen Fachhochschule abschließen.

Zumindest scheinen es die Kirchen geschafft zu haben, die spezifischen Ausbildungsgänge zu erhalten. Und von den Studierenden muß wohl niemand um seine berufliche Zukunft fürchten. Im Gegenteil: Gerade die GemeindepädagogInnen mit ihrer theologischen und gleichzeitig pädagogischen Qualifikation seien sehr gefragt für die Jugendarbeit, betont der Rektor der Ausbildungsstätte für Gemeindepädagogik in Potsdam. akk

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