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Ein Stadtteil macht mobil

■ Ottenser Rundschlag: Stadtteilinis wollen "Stadtplanung von unten"

: Stadtteilinis wollen „Stadtplanung von unten“

Verkehrsinfarkt, Wohnungsumwandlungen, Ausländerfeindlichkeit, Großprojekte wie das Hertie- Quarree — Ottensen hat viele Probleme. Um Lösungen zu suchen, veranstalteten gestern die Initiativen des Stadtteils den Ottensener Rundschlag in der Fabrik. Das Ziel: Eine Stadtplanung zu verhindern, die „über die Köpfe der BewohnerInnen“ hinweg verordnet wird.

Schon im Vorfeld der Veranstaltung hatte es Zoff gegeben. Die InitiatorInnen hatten im Altonaer Kulturausschuß rund dreieinhalbtausend Mark Förderungsmittel für die Organisation des Rundschlags beantragt. Eine große Kultur-Koalition aber entschied ganz sozial- christlich-liberal: Keine Mark für den Rundschlag. Die PolitikerInnen hatten herausgefunden, daß es auf der Veranstaltung trotz umfangreichem Musik- und Kabarettprogramm keinesfalls kriteriengerecht um Stadtteilkultur, sondern im Gegenteil um Politik gehe.

Auf vier Diskussions-Foren debattierten die Anwesenden über die Zukunft ihres Stadtteils. Thema Verkehr: Ottensen ertrinkt in der Auto-Flut. Zugeparkte Wege, Hobby-Rennfahrer in der Nähe von Schulen und fehlende Radfahrpisten stellen weitere Probleme dar. Elterninitiativen, die sich für eine effektive Verkehrsberuhigung und vermehrte Tempo-Kontrollen in Schulnähe einsetzen, erhalten von den Behörden meist keine Antwort. Nun will man gemeinsam Druck machen, am 31. März in der Rothestraße 36 ab 20 Uhr mit allen Interessierten ein Konzept erarbeiten, wie der Verkehr zurückgedrängt werden kann.

Thema Umstrukturierung: Da auch der fortschrittliche Yuppie sich im eigenen Altbau zwischen „Leopold“ und „Eisenstein“ ganz heimisch fühlt, rollt eine Umwandlungswelle auf das Viertel zu. Das geplante Hertie-Quarree dürfte den Verkehr rund um den jüdischen Friedhof verdoppeln und kleine Läden vertreiben. Die Initiativen wollen mit der Stadtentwicklungsbehörde reden, „damit wir statt ständig etwas vor die Nase gesetzt zu bekommen, eine Stadtplanung von unten“ in Gang bringen können.

Thema Zeisewiese: Geht es nach den Behördenplanungen, soll die Wiese komplett überbaut, die dort sei zwei Jahren beheimateten Bauwagen vertrieben werden. Die Aktionsgemeinschaft Zeisewiese hingegen will auf der Freifläche Raum für Wohnprojekte und Kindertagesheimplätze schaffen, fordert, daß die Politiker gemeinsam mit den Menschen planen, die hier leben und arbeiten wollen. Am kommenden Samstag ab 12 Uhr will die Initiative ihre Ideen auf der Zeise-

1wiese öffentlich vorstellen.

Thema Rassismus: Antifaschistische Solidaritätskonzerte in der „Werkstatt 3“ und Plakataktionen gegen Ausländerfeindlichkeit sind geplant. KneipenbesitzerInnen haben ihre Schankstätten öffentlich zur „Nazifreien Zone“ erklärt, wollen Bierdeckel mit antirassistischen Sprüchen drucken. Koordiniert werden alle Aktionen, die „dem Rechtsradikalismus im Stadtteil den Boden“ entziehen sollen, vom „Ottensener Plenum“, daß jeden ersten Sonntag im Monat ab 16 Uhr in der Motte tagt und alle einlädt, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren wollen.

Marco Carini

Rundschlag-Nachfolgetreffen: Donnertag, 4. März, 20 Uhr in der Motte, Rothestraße 50

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