: Ernst Thälmann mit Tiefladern nach Bayern?
■ Der Steinmetz-Unternehmer Joseph Kurz will Kommunistenführer in Gundelfingen Asyl gewähren/ Stalin, Lenin und Gottwald warten dort schon
In den einst sozialistischen Ländern von Osteuropa gibt es ein Entsorgungsproblem: Wohin mit dem kommunistischen Götterhimmel? Die Museen kapitulieren vor der Vielzahl der Monumente, lokale Behörden verscherbeln sie an texanische Millionäre und andere Devisenbringer, Buntmetallschieber schmelzen sie ein und Baufirmen zermahlen den Granit für Neubauten. Zwar gibt es in fast allen Regionen Vorschläge von „Monumentenparks“, „Fossiliensammlungen“ und „Gruselkabinetten des sozialistischen Realismus“, aber die Denkmalschützer haben Bauchschmerzen. Die Zeugnisse der kommunistischen Epoche würden so aus ihrem historischen Zusammenhang gerissen, förderten das Vergessen der eigenen Geschichte und verwandelten sich so zu „Ikonen“, argumentieren sie.
Während die Kunsthistoriker aber noch reden, handelt in Bayern ein Steinmetz. Acht Figuren aus Ostdeutschland und der Tschechoslowakei hat der mittelständische Unternehmer Josef Kurz schon, darunter das große Dreifachdenkmal – Breitscheid/Lenin/Thälmann – aus der Dresdner Innenstadt. Zehn weitere sind ihm aus Litauen und Polen schon versprochen worden. Er wartet nur noch auf die Ausfuhrgenehmigung. Die Monumente sind der Grundstock für einen privaten, aber der Öffentlichkeit zugänglichen Monumentenpark in Gundelfingen. Das Konzept ist mit dem CSU-Staat abgestimmt. Im Herbst soll der Park eingeweiht werden. Die taz sprach mit Joseph Kurz am Rande der internationalen Tagung „Bildersturm im Osten“.
(Siehe auch Seite 5)
taz: Die vom Senat eingesetzte Kommission zum Umgang mit den „Politischen Denkmälern der kommunistischen Epoche“ hat kürzlich empfohlen, den 13 Meter hohen Bronzekopf von Ernst Thälmann zu demontieren. Wollen Sie den gerne haben?
Josef Kurz: Ja, an dem habe ich sehr großes Interesse. Ich habe mich schon mit dem Bezirksbürgermeister getroffen. Er kann es nicht entscheiden, sondern das tut die BVV oder der Senat. Aber ich werde jetzt einen offiziellen Antrag stellen.
Wieviel Geld ist er Ihnen wert?
Über Geld soll man erst nach Verhandlungen reden. Ich würde dafür plädieren, daß man mir das Denkmal schenkt, ich aber dafür die Kosten der Demontage übernehme. So würde die Stadt einen Haufen Geld sparen. In Dresden haben wir das auch so gemacht.
Der Kopf besteht aus Bronze, er müßte auseinandergeschweißt werden. Können Sie das?
Wir haben neben unserem Natursteinunternehmen auch eine kleine metallurgische Fabrik. Geschnitten wird mit Plasma, in Gundelfingen müßten wir Thälmann wieder zusammenschweißen. Ich müßte erst eine Expertise machen, um sagen zu können, wie lange das dauert, aber das kann ich versprechen: Wir würden Tag und Nacht arbeiten und ihn mit Tiefladern wegschaffen. Das alles würde sehr schnell gehen. In Dresden haben wir für das Abräumen nur zwei Tage gebraucht, obwohl uns die Fachleute Wochen prophezeiten.
Warum sammeln Sie Heroen?
Ich will einfach nicht, daß die Denkmäler zerstört werden. Da haben Leute jahrelang daran gearbeitet. In Petersburg wird jetzt zum Beispiel der Bildhauer, der die Dresdner Gruppe gemacht hat, angefeindet. Das finde ich nicht gut. Über sechs Jahre hat er daran gearbeitet. Zur Einweihung des Parks werde ich ihn einladen. Mein Interesse, die Denkmäler zu erhalten, hat viel mit Berufsethos zu tun. Zum Beispiel hat die Berliner Kommission bei ihren Empfehlungen viel mit Kunst argumentiert. Die maßen sich an, zu entscheiden, was erhaltenswerte Kunst ist und was nicht. Ich möchte nicht so überheblich sein.
Die kommunistischen Denkmäler wurden errichtet, um die Macht der Sowjetunion zu symbolisieren. In Bayern wollen Sie sie nach ästhetischen Gesichtspunkten sortiert nebeneinanderstellen. Errichten Sie nicht eher ein Kuriositätenkabinett?
Das wäre eine Diffamierung meines Anliegens. Ich nehme ja nur das, was keiner mehr haben will. Ich will ja nicht in Konkurrenz mit Denkmalpflegern treten oder den Kommunen die Entsorgung abnehmen. Mir kommt es darauf an, die Bedeutung der Statuen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Das ist eine kulturhistorische Aufgabe. Bei mir kriegen die roten Genossen Asyl, die im Osten vertrieben werden. Vielleicht nenne ich den Park auch deshalb „Asylpark“.
Würden Sie auch Nazihelden aufstellen. Vielleicht neben Thälmann?
Natürlich würde ich das machen. Ich habe keine ideologischen Scheuklappen, ich stehe über der Politik. Wichtig ist aber, daß vor den Monumenten erklärende Tafeln stehen, wer das war, was er gemacht hat und so weiter. Da sollen Historiker helfen, schließlich soll der Park lehrreich werden. Das Gespräch führte
Anita Kugler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen