: Gute Zeiten wieder mal vorbei
Das Bundesliga-Gründungsmitglied 1. FC Köln verliert am 1.000. Spieltag mit 0:3 gegen das Bundesliga-Gründungsmitglied Kaiserslautern ■ Aus Köln Thomas Lötz
Die Bundesliga feierte ihren 1.000. Spieltag, und der Prinz kam höchstselbst. Zwei der vier Jubilare, zwei der vier Gründungsmitglieder der Liga, der 1. FC Köln und der 1. FC Kaiserslautern, trafen am Freitag abend in Müngersdorf aufeinander. Prinz Wilfried I., närrischer Herrscher über Köln in diesen Tagen, kam, sprach ein paar Worte zum Volk („Alaaf, alaaf, alaaf“) und ging. Wahrscheinlich wußte er, warum er diese Veranstaltung vorzeitig verließ. 1.000 Spiele waren ausgetragen, leider nicht alle gewonnen, und das vom Freitag war auch nur durchschnittlich, auch wenn drei Tore fielen.
Kaiserslautern siegte mit 3:0, köln fiel weiter in den Keller, Bundesliga-Alltag. Unternehmen wir deshalb doch gleich einen verklärenden Ausflug in die Geschichte dieser Auseinandersetzung. Lassen wir die besseren Zeiten noch einmal Revue passieren. Zum ersten Mal gab es das Duell der beiden 1. FCs am 14. Spieltag der ersten Bundesliga-Saison 1963/64 im alten Müngersdorfer Stadion. Der damalige Tabellenführer und spätere Meister aus Köln gewann vor 30.000 Zuschauern gegen den Sechstplazierten aus der Pfalz mit 5:1, wobei der 23jährige Karl- Heinz Thielen alle fünf Tore erzielte. Den Gegentreffer – erinnert sich noch wer? – markierte Erich Meier in der 73. Spielminute, um genau zu sein. Da hatte Thielen, heute Manager des FC, bereits viemal zugeschlagen, und das war ein Rekord, der lange Bestand hatte. Bis zum 17.8.1977, als Dieter Müller sechs Treffer im Spiel gegen Werder Bremen für den 1. FC Köln gelangen.
Überhaupt konnte der FCK in den Jahren danach in Köln kaum punkten, und gewonnen wurde erst im achten Jahr der Liga. Das 1:2 am 8. Mai 1971 sicherten vor 7.000 Zuschauern Günther Rademacher und Klaus Ackermann, zur Kölner Führung hatte Heinz Flohe getroffen. Im Trikot des FCK liefen damals noch Jürgen „Atze“ Friedrich und ein Verteidiger namens Rehhagel auf, im weißen Trikot mit dem aufgenähten Geißbock spielten Overath und Löhr. Zeiten waren das.
Lange dauerte es dann, bis Lautern wieder einmal ein Auswärtsspiel in Köln gewinnen konnte. Im November 1983 siegten sie vor 12.900 Zuschauern mit 4:1. Der Schwede Torbjörn Nilsson erzielte zwei, der großartige Briegel und der gute Bruno Hübner einen Treffer. Gerd Strack machte das Tor für Köln – es wird ein Kopfball gewesen sein. Auch die Trikotwerbung machte damals noch Sinn. Am Betzenberg wurden nur noch Fenster und Türen von Portas eingebaut, und ganz Köln stand mit Doppeldusch unter der Brause. Heute wird für Computerdrucker und eine Bank geworben, über die verlorengegangene Ästhetik des Fußballtrikots könnte man Seiten füllen.
Aber dieser Sinn für Tradition, für Geschichte und die daraus bezogene Identität ist den Fußballanhängern aus der Pfalz, oder wenigstens der grölenden Mehrheit derjenigen, die ihre Mannschaft am Freitag nach Köln begleitet hatten, längst verlorengegangen. Sie fragten den armen Bodo Illgner nur, ob er sich noch daran erinnern könnte. An was? An die beschämende Niederlage, dieses 2:6, das dem FCK den Meistertitel sicherte. Das war 1991, als etwa 40.000 Pfälzer mit ihrer Elf ins Müngersdorfer Stadion einzogen, insofern die Frage berechtigt ist, ob es sich damals tatsächlich um ein gewonnenes Auswärtsspiel gehandelt hat.
Am Freitag war es also Auswärtssieg Nummer drei oder vier für Kaiserslautern in Köln. Sie standen hintendrin und sahen sich das hilflose Gekicke des Mitjubilars an, dann konterten sie ihn aus und schossen den Ball dreimal ins Tor. Mehr war nicht.
Und was ist dann überhaupt am Fußball 1993, im Jahr des 1.000. Bundesliga-Spieltags, noch interessant, noch besonders, noch gut? Vermutlich die Tatsache, daß man sich immer wieder hilfesuchend an die Vergangenheit wenden kann. Und das wird man sicher auch morgen, übermorgen und am 2.000. Bundesliga-Spieltag tun können. Und das ist doch sehr beruhigend, nicht wahr?
1. FC Kaiserslautern: Serr - Kadlec - Ritter, Funkel - Haber (88. Schäfer), Goldbaek, Eriksson, Hotic, Wagner - Witeczek, Kuntz
Zuschauer: 26.000, Tore: 0:1 Witeczek (28.), 0:2 Goldbaek (63.), 0:3 Hotic (82.)
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