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Es gibt keine Zeit zu hassen

■ Wege des Friedens sucht die in Hamburg lebende bosnische Künstlerin Emina Cabaravdic-Kamber / Ein Portrait

„Wir haben gelernt, mit dem Nachbarn zu leben und wie sollen wir auf einmal lernen, ohne Nachbarn zu leben?“, fragt sich die Bosnierin Emina Cabaravdic-Kamber. Die 46jährige Autorin, freie Journalistin und Malerin ist verzweifelt, voller Verbitterung und Trauer über das, was im ehemaligen Jugoslawien geschieht.

Sie ist Muslimin, in Bosnien groß geworden, kosmopolitisch aufgewachsen. Ihr Land sei, sagt das Vorstandsmitglied vom Verband Deutscher Schriftsteller (VS) Hamburg, ein Beispiel für Multikultur schlechthin gewesen. In einem Aufruf zum Frieden schreibt sie: „In Bosnien, dem Land der unterschiedlichen Zivilisationen, wo in einträchtigem Nebeneinander die Glocken der katholischen Kathedrale, der orthodoxen Kirche und die Uhr der Berg-Moschee schlagen, dort in Bosnien, dem Schnittpunkt großer Weltkulturen, hat die Zeituhr angefangen, schneller zu ticken, und wir sind uns gar nicht bewußt, wie spät es ist.“

Die Basis für dieses Beispiel friedlicher religiöser Koexistenz wurden nach Auffassung Emina Cabaravdic-Kambers während der jahrhundertelangen Herrschaft der Osmanen auf dem Balkan geschaffen. Erst der Nationalismus westlicher Prägung habe den Glaubensfrieden nachhaltig zerstört. „Das Volk hat die Auseinandersetzung nicht gewollt. Der Krieg hat vor allem wirtschaftliche Gründe. Außerdem glaube ich, daß man ein Stück Orient in Europa nicht haben will“, sagt die Autorin.

„Wege zum Frieden“ lautet seit einiger Zeit das Leitwort ihres künstlerischen Engagements. In Gedichten drückt sie ihren Schmerz, aber auch ihre Hoffnung aus. Mit wenigen präzisen Worten, die lange nachklingen, schafft sie eindringliche Bilder, denen nicht mehr hinzuzufügen ist. Sie nahm an mehreren Internationalen Lyrik-Festivals teil und erhielt 1989 in Italien den Literaturpreis „Alberto Carpino“. Ihre Werke erscheinen in verschiedenen Sprachen.

Nicht lange ist es her, daß Danino Bozic, Maler und Bildhauer aus Istrien, die Wahlhamburgerin gebeten hat, Verse zu einer neunteiligen Serie von Ölgemälden (130 x 160) mit dem Titel „Die Blutige Epoche Jugoslawiens“ zu schreiben. „Obwohl es mir zunächst nicht leicht gefallen ist, meine Betroffenheit auf's Papier zu bringen, habe ich ja gesagt“, beteuert Emina Cabaravdic-Kamber.

Jetzt sind diese Bilder, die die Zerstörung der menschenlichen Seelen vermitteln wollen, im Kunstzentrum Glinde-Reinbek zu sehen. In den Gemälden herrscht die rote Farbe des Blutes vor, sie sind düster und zeigen den Untergang. Aufklaffende Tierkadaver und zerschundene Menschenkörper stehen für die Qualen der Opfer des Krieges.

Die Arbeiten fünf weiterer Maler aus verschiedenen Regionen — von Slowenien bis Mazedonien — werden in dieser Ausstellung ebenfalls zu sehen sein. Veranstaltet wird sie vom Internationalen Künstler-Collegium 90, in dem Emina Cabaravdic-Kamber Mitglied ist. „Es gibt keine Zeit zu hassen. Wir wollen zeigen, daß es auch anders sein kann, daß wir einander verstehen“, meint die Bosnierin aus Sarajevo. Aber nicht nur mit Worten engagiert sich die Mutter von drei erwachsenen Kindern für ihr notleidenes Volk. Insgesamt neun Personen, Frauen und Kinder wie auch Familienangehörige aus Bosnien beherbergt sie gegenwärtig in ihrem Haus am östlichen Stadtrand von Hamburg. Ruhe zum Schreiben und Malen findet sie unter diesen Bedingungen nur spätabends.

Aus Platzmangel hat sie ihren Schreibtisch mittlerweile in die unteren Räume gestellt, in denen sie zusammen mit ihrem Mann und mit Unterstützung der Familie seit fast zwanzig Jahren ein bosnisches Restaurant betreibt. Dort treffen sich

1auch regelmäßig die Mitglieder des von ihr gegründeten Literaturclubs „La Bohemina“. Daß sie zwischendurch mal Gläser wegräumt oder Stammgäste begrüßt ist selbstverständlich.

Emina Cabaravdic-Kamber scheint unermüdlich zu sein, ihre Energie kennt keine Grenzen. Das nächste Projekt ist gedanklich

1schon in Arbeit. Sie will mit „La Bohemina“ Kontakte zu Schriftstellern aus Osteuropa knüpfen, um die internationale Begegnung zu fördern und sich auszutauschen. Sie hat nicht nur gelernt, mit den Nachbarn zu leben, sie will auch mit ihnen leben. Anja de Bruyn

Ausstellung im Kunstzentrum Glinde- Reinbek, Otto-Hahn-Straße 6, bis 8.3.

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