: Das Kartell von Milanello
Der Wirtschaftspakt des AC Mailand mit Real Madrid eröffnet neue Dimensionen ■ Von Matti Lieske
Berlin (taz) – Wie sich Silvio Berlusconi den Fußball vorstellt, ist seit langem bekannt: wie den AC Mailand. Dort ist er Präsident und hat es nach und nach geschafft, einen Kader zusammenzukaufen, der fast nur aus Nationalspielern besteht, darunter sechs ausländische Fußballkünstler, die in jedem anderen Team die absoluten Stars wären. An die letzte Pflichtspiel- Niederlage kann sich in Milanello, dem schmucken Trainingsquartier, kaum noch jemand erinnern, die italienische Liga wurde von Berlusconis Mannen zu einer Runde um UEFA-Cup-Plätze degradiert, allenfalls auf europäischer Ebene könnte den unbesiegbaren Mailändern, wenn sie mal an einem ganz schlechten Tag erwischt werden, noch Ungemach drohen. Die Konzentration der Besten, die Bildung einer fußballerischen Elite, die dem restlichen Fußvolk um Lichtjahre voraus ist – das ist die Vision des Mailänder Medienmagnaten. Nur einige wenige ähnlich strukturierte Klubs gedenkt Berlusconi neben sich zu dulden, die dann in einer Europaliga fernsehgerecht und auf höchstem Niveau ihren Champion unter sich ausspielen.
Berlusconi beläßt es jedoch nicht bei Gedankenspielen, er stellt schon eifrig die Weichen. Im Landesmeister-Europacup wird unter den Fittichen seines TV-Imperiums bereits eifrig für die Europaliga geprobt, und durch Kooperation mit anderen renommierten Großklubs arbeitet er an der Herausbildung von Eliteteams in den europäischen Ländern. Jüngster Coup ist der Kooperationsvertrag mit Real Madrid, durch den die stolzen Königlichen aus Spaniens Hauptstadt zu einer „Filiale des AC Mailand“ werden, wie Joan Gaspart, der Vizepräsident des FC Barcelona, boshaft bemerkte.
Beim Wettbieten um hochkarätige Spieler kann derzeit niemand mit den italienischen Vereinen mithalten, nicht einmal die wirtschaftlich stärksten Klubs der spanischen Liga. Hilflos mußte Johan Cruyff vom FC Barcelona mitansehen, wie Juventus Turin und Inter Mailand das Rennen um das niederländische Fußballjuwel Dennis Bergkamp unter sich ausfochten. Dem ruhmreichen Europapokalsieger aus der katalanischen Hauptstadt ging frühzeitig die finanzielle Puste aus, nun versucht der Klub, über eine Stiftung zu einem Kapital von anvisierten 700 Millionen Mark zu kommen.
Real Madrid wählte einen anderen Weg: die „Zusammenarbeit“ mit Milan, die zunächst in erster Linie darin bestehen wird, daß die Mailänder den Madrilenen finanziell bei Spielertransfers unter die Arme greifen und so gleichzeitig verhindern, daß Topspieler zu ihren italienischen Konkurrenzklubs wechseln. „Silvio Berlusconi und ich sind große Freunde, und wir haben viele gemeinsame Projekte“, sagt Real-Präsident Ramón Mendoza.
Das erste Projekt ist die Verpflichtung des Argentiniers Fernando Redondo, an dem vor allem Juventus Turin interessiert sein soll. Eine Klausel im Vertrag Redondos mit seinem Klub Teneriffa besagt, daß er nur für eine Summe von rund 20 Millionen Mark gelöst werden kann. Viel zuviel für Real Madrid, doch der Partner aus Italien ist zur Hilfe bereit. „Milan möchte auf dem internationalen Markt präsent sein. Madrid verhandelt mit Fernando Redondo, und wir wollen in die Operation einsteigen“, erklärte AC-Generaldirektor Adriano Galliani. Auch gegenseitige Leihgeschäfte, etwa im Falle Ruud Gullit, sind denkbar, laut Galliani denken die Mailänder jedoch derzeit nicht daran, einen ihrer sechs Ausländer abzugeben.
Allianzen zwischen Vereinen sind inzwischen nichts Ungewöhnliches – in Italien zum Beispiel bestehen Abkommen zwischen Lazio Rom und dem AC Turin sowie zwischen AS Rom und Juventus Turin.
Das Joint-venture von Real Madrid und AC Mailand erreicht jedoch eine neue Stufe. Für die kleineren Vereine wird es angesichts der finanziellen Übermacht immer schwieriger, die von ihnen herausgebrachten Talente zu halten, selbst wenn diese, wie Roberto Baggio (von Florenz zu Juventus) oder Gianluigi Lentini (von AC Turin zu AC Mailand) eigentlich gar nicht wegwollen. Kaum einer dürfte so bodenständig sein wie einst Uwe Seeler und Fritz Walter oder jetzt Barcelonas Josep Guardiola, der ein Traumangebot von Juventus Turin glatt ausschlug.
Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sich andere Spitzenklubs wie etwa Olympique Marseille, Benfica Lissabon oder PSV Eindhoven dem „Kartell von Milanello“, wie das omnipotente Konstrukt des Silvio Berlusconi bereits genannt wird, anschließen. Die Kluft zwischen Arm und Reich im Fußball, die früher vor allem zwischen Europa und Südamerika lag, wird auch in Europa immer größer. Wer nicht mithalten kann, muß ohne große Namen auskommen. Die nämlich sitzen dann bei Berlusconi und seinen Freunden auf Ersatzbank oder Tribüne.
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