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Mein Onkel Bruno Von Thomas Pampuch

War wieder n' schöner Steglitzer Geburtstag gewesen, Brunos 82ster. Nur drei Ecken von der Herderstraße, wo er geboren ist. Damals, 1911, war die noch eine richtige proletarische Straße, an jeder Kreuzung vier Kneipen, in jedem Stockwerk vier Türen, in jeder Wohnung drei bis fünf Kinder. Da haben der olle Thomas und Oma Anna (die 1979 mit 100 starb) die drei Bengels hochgezogen, Bernhard, Ewald und Bruno, der jetzt der letzte dieser Generation ist. Dafür war auf dem Fest Brunos erste Urenkelin, Leila, 3 Monate. Also endlich wieder vier Generationen.

Der olle Thomas war Schuhmacher und Spartakist, und wenn er soff, konnte er noch prima auf polnisch fluchen, weil er wie Oma Anna irgendwann vor der Jahrhundertwende aus Posen nach Berlin gekommen war. Die drei Jungen haben als Kinder noch Rosa und Karl in Steglitz reden hören. Alle drei gingen sie in die kommunistische Kindergruppe. Bruno und Ewald machten Jiu- Jitsu und kloppten sich später mit den Nazis. „Naja, ne Walther hamwa ooch jehabt.“ Bernhard bekam von seiner späteren Schwiegermutter, die als polnische Bolschewikin an der sowjetischen Botschaft in Berlin arbeitete, ein Ingenieurstudium in Thüringen finanziert. Als Unterstützung des deutschen Proletariats, aber auch, damit er dem Diplomatentöchterchen nicht zu früh zu nahe trat. Bruno lernte Zimmermann und ging 31 als „Kunde“ auf die Walz durch halb Europa. Als die Nazis rankamen, wurden sie alle verhaftet, aber bald wieder freigelassen, weil in der Polizei noch viele SPDler waren. „Aber viel lief danach nich mehr.“ Bruno wurde 1940 eingezogen, kam als Sanitäter erst nach Frankreich und dann an die Ostfront. 45 rannte er — immer vor den Russen her — den ganzen Weg von Smolensk bis kurz vor Berlin. Dort nahmen sie ihn doch noch gefangen. Als Kommunist durfte er im letzten Jahr der Gefangenschaft auf die Antifa- Schule in Riga und lernte den aufrechten historischen Materialismus. „Immer wenn im Kurs der Name Stalin fiel, mußtenwa aufstehen.“ Erst 49 kam er zurück nach Steglitz, wohnte dort, arbeitete aber bis 53 als Bauarbeitergewerkschaftler im Osten. Den 17. Juni sah er kommen: „Ick wußte ja, wat los war bei den Kollegen, die haben Ulbricht jeden Tag gehenkt. Bloß die Funktionäre ham det nicht jegloobt.“ Als er dann auch noch seinen eigenen Bruder Bernhard bespitzeln sollte, hatte er die Schnauze voll, blieb ganz in Steglitz und wurde Krankenpfleger. Als Rentner belieferte er die ganze Ostverwandtschaft jahrelang mit Kaffee und Bananen. Gelegentlich sogar mit Fernsehern – auch wenn Onkel Ewald angeblich nie den Knopf fürs Westfernsehen fand.

Seit 1990 sind Brunos Geburtstage wieder gesamtdeutsch. Keine Brüder und Schwestern mehr, aber jede Menge Vettern, Neffen und Großnichten. Angeheiratete und Angeheiterte. Und Bruno mittendrin vor seiner Wald-Tapete. Seit neustem hat er ein Bronchialkarzinom, aber das ist hoffentlich genauso gutartig wie Onkel Bruno selber. Rauchen tut er jedenfalls weiter. „Hab ja keene Veranlassung uffzuhören.“ Nee, haste nich, Bruno, mach weiter, aber bitte noch 'n paar Jährchen.

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