: Auch auf türkischen Hochzeiten tanzen
■ Kampagne für doppelte Staatsbürgerschaft läuft gut an
Berlin (taz) – Die einen sammeln Unterschriften in der U-Bahn, die anderen in ihrer Tanzschule oder in ihrem Gemüseladen. Auch auf türkischen Hochzeiten werden die Gäste auf die seit rund zwei Wochen laufende Kampagne „Eine Million Unterschriften für die Doppelte Staatsbürgerschaft“ aufmerksam gemacht. „Von vielleicht 800 Gästen unterschreiben 400“, weiß Jürgen Strohmaier, bundesweiter Koordinator der Kampagne, von einem unermüdlichen türkischen Helfer. „Der Schneeballeffekt bei der Verbreitung der Unterschriftenlisten läuft besser als erhofft“, freut sich der Berliner Grüne.
Wann allerdings die eine Million Stimmen für die Änderung des deutschen Staatsangehörigkeitsgesetzes in Richtung Territorialrecht statt Abstammungsrecht und für die Ermöglichung der doppelten Staatsbürgerschaft zusammen kommt, kann Jürgen Strohmaier noch nicht abschätzen. Bisher gingen weit mehr leere Unterschriftenlisten heraus als ausgefüllte hereinkämen. 12.000 Listen habe das Kampagnenbüro schon herausgeschickt, „pro Tag etwa 1.000 Listen“.
„Das ist die erste Aktion, in der es von links und rechts keinen Streit gibt“, zeigt sich der Grüne zufrieden. Wiewohl die Initiative ursprünglich im grün-alternativen Spektrum entstand, hat sie schneller als erwartet überparteiliche Unterstützung erlangt. Neben prominenten Künstlern und Intellektuellen haben Politiker aller Parteien unterschrieben: Gregor Gysi (PDS), Hildegard Hamm-Brücher (FDP), Herta Däubler-Gmelin (SPD) genauso wie Manfred Rommel, der CDU-Oberbürgermeister von Stuttgart und Präsident des Städtetags. Deshalb kann sich Jürgen Strohmaier auch vorstellen, daß am Ende mehr dabei entstanden ist als nur ein Papierberg von einer Million Unterschriften im Büro der Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth. Er hoffe auf eine interfraktionelle parlamentarische Gesetzesinitiative – „vielleicht ähnlich wie beim Paragraphen 218“. Immerhin kursieren schon drei Gesetzentwürfe zur Erleichterung der Einbürgerung.
Vorerst geht es den Initiatoren aber auch darum, die Kampagne noch mehr mit politischem Leben zu füllen. In Berlin und Bonn sind mehrere überparteiliche Veranstaltungen geplant, in Hannover organisieren die Grünen zum 20/21. März einen bundesweiten Kongreß zum Thema. usche
ÖTV gegen „antiquierten Blut-Paragraphen“
Stuttgart (AFP) – ÖTV-Chefin Monika Wulf-Mathies, hat vorgeschlagen, Ausländern nach fünf Jahren Aufenthalt in der Bundesrepublik die deutsche Staatsangehörigkeit zu ermöglichen. Gleichzeitig appellierte Wulf-Mathies gestern in Stuttgart an den Bundestag, die gesetzlichen Grundlagen für eine geregelte Zuwanderung nach Deutschland zu schaffen. „Antiquierte Blut-Paragraphen aus Kaisers Zeiten“ und der novellierungsbedürftige Artikel 116 des Grundgesetzes, der den „Deutschen“-Begriff regelt, würden einer modernen Gesellschaft längst nicht mehr gerecht.
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