: Bedrängter Mond
■ Kunsthalle erwarb Caspar David Friedrichs "Meeresküste bei Mondschein"
erwarb Caspar David Friedrichs »Meeresküste bei Mondschein«
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2å Stolz konnten gestern die Kultursenatorin Christina Weiss und der Direktor der Kunsthalle, Uwe M. Schneede, einen Gemäldeankauf bekanntgeben. Denn die Kunsthalle ist nun im Besitz der „Meeresküste im Mondschein“, dem letzten vollendeten Werk von Caspar David Friedrich.
Das seit 1989 als Leihgabe überlassene Bild mußte gekauft werden, da die Eigentümer die „Meeresküste im Mondschein“ bei Christies in London zur Auktion angemeldet hatten, wie Schneede lapidar in einer Antwort auf sein Dankesschreiben an die Leihgeber erfuhr.
1Hamburg wollte den Verlust des Bildes nicht hinnehmen. Es wurde zum nationalen Kulturgut erklärt, eine Ausfuhr somit unmöglich gemacht und direkte Kaufverhandlun- gen wurden aufgenommen.
1837 bezahlte der sächsische Kunstverein dem kranken Meister 300 Reichsthaler für die „Meeresküste im Mondschein“. Heute kostet es 3,5 Millionen Mark. Weil solche Summen im Hamburger Etat keinesfalls vorgesehen sind, bedurfte es einer gemeinsamen Aktion: Die Kulturstiftung der Länder gab 1,1 Millionen, 700000 der Hamburger Senat, der Rest kam von Stiftungen und Stiftern.
Nun präsentiert sich im ersten renovierten Altbauraum der Kunsthalle — mit hellgrauer Wandbespannung, neuem Fußboden und Klimaanlage — das düsterschwere Bild im Rahmen der drittgrößten Caspar-David-Friedrich-Sammlung der Welt. Dreizehn Gemälde sind es, als vierzehntes ist jetzt noch eine Dauerleihgabe aus Greifswalder Privatbesitz dazugekommen.
Die „Meeresküste im Mondschein“ ist ein abschließendes Lebensresümee des Romantikers. Unter Schwierigkeiten nach einem Schlaganfall gemalt, in dem zweitgrößten Bildformat, das er je benutzte, breitet es zum letzten Mal den — zu seiner Zeit schon unmodern gewordenen — literarischen Bildsinn der Romantik aus: Angekommen im Hafen der Lebensfahrt bezeichnen die achtmal wie beschwörend gehäuften Anker die Hoffnung; der unter bleiernen Gewitterwolken bedrängte Mond versilbert einen schmalen Streifen am Horizont, der beides sein kann: Hoffnungslicht und Todeskälte.
Es ist für Uwe M. Schneede typisch, daß er die Aktualität des fast monochromen Bildes mit einer Anmerkung aus der Moderne belegen kann: Der höchst kritische amerikanische Minimalist Donald Judd sei durch die Reduktion des Farbumganges von diesem Bild tief beeindruckt gewesen. Hajo Schiff
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