: Frauen für neues Grundgesetz
■ Süssmuth hält männlichen Widerstand in der Verfassungsdiskussion für einen „Anachronismus“
Bonn (taz) – Mit einer bundesweiten Plakataktion fordern 152 prominente Frauen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien die Verankerung von mehr Frauenrechten in der gesamtdeutschen Verfassung. Damit soll vor allem der Gemeinsamen Verfassungskommission Druck gemacht werden, die voraussichtlich am 25. März über die Neufassung von Artikel3 und Artikel6 (Ehe und Familie) abstimmt.
Vertreterinnen aller Fraktionen haben gestern in Bonn die Aktion vorgestellt. „Jetzt oder nie! Frauenrechte in die Verfassung“ prangt in pinkfarbener Schrift auf dem Plakat.
Artikel3 („Männer und Frauen sind gleichberechtigt“) soll, so der Konsens zwischen den Frauen aus allen Fraktionen, ergänzt werden um eine Formulierung, die Förderungsmaßnahmen für Frauen zum Ausgleich bestehender Ungleichheiten für zulässig erklärt. Diese Kompensationsklausel wird jedoch mehrheitlich von den männlichen Vertretern der Verfassungskommission, vor allem von den CDU-Männern, abgelehnt. „Daß wir 1993 für einen simplen Zusatz kämpfen“, so Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, sei eigentlich ein „Anachronismus“.
Allerdings endet der allgemein beschworene Konsens unter den Politikerinnen bei der Frage, ob Frauenförderung auch explitit Staatsziel werden soll. Für Ursula Männle, Sprecherin der Frauen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, soll der Staat lediglich zur Durchsetzung der Gleichberechtigung „aufgefordert“ werden. Die SPD-Fraktion dagegen hat sich auf die weitergehende Formulierung „gewährleisten“ geeinigt. Und die FDP will Frauenförderung sogar als Staatsziel festschreiben, so Uta Würfel, frauenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Ulla Schmidt, SPD, sagte, nur wenn die gesamtdeutsche Verfassung Gleichberechtigung auch wirklich garantiere, sollten die Frauen dieser Verfassung auch zustimmen. „Ich möchte den Bundestag sehen, der eine Verfassung gegen das Votum der Frauen durchsetzen will.“ Myriam Schönecker
Vorbehalte gegen Staatsziel
Umweltschutz „abstrus“
Bonn (epd) – Nach Ansicht des SPD-Politikers Hans-Jochen Vogel sollte an dem in der Verfassung verankerten Schutz für Ehe und Familie nicht gerüttelt werden. Notwendig sei jedoch eine Verfassungsergänzung, die auch andere Lebensgemeinschaften unter den Schutz des Staates stelle, sagte er gestern vor Journalisten.
Die Haltung der CDU/CSU zu dem in der Verfassungskommission knapp gescheiterten Vorschlag für ein Staatsziel Umweltschutz nannte er unverständlich. Ansichten aus der CSU, daß nach der Formel des Vorsitzenden der Verfassungskommission, Rupert Scholz (CDU), die Gerichte in allen Umweltfragen entscheiden würden, seien „abstrus“. Keiner wolle Recht und Gesetz außer Kraft setzen.
Nach den Worten Vogels werden mit der ablehnenden Haltung der Union bei der Verfassungsreform auch Chancen für den Einigungsprozeß vertan. Er erinnerte daran, daß in nahezu allen Verfassungen der ostdeutschen Länder Staatsziele und Formen der Bürgerbeteiligung vorgesehen sind. Wenn dies von der Union als weniger bedeutsam abgetan werde, zeuge dies von „Verfassungszynismus“.
Dagegen bekräftigte der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Glos, daß eine umfassende Reform des Grundgesetzes nicht zur Debatte stehe. Die bewährte Verfassung würde in ihrer grundsätzlichen Ausrichtung revidiert, wenn neben die Grundrechte eine Reihe von Staatszielen träten, die lediglich „selbstverständliche Ziele staatlichen Handelns“ beschrieben.
Der CDU-Politiker Rupert Scholz, einer der Vorsitzenden der Verfassungskommission, sprach sich für eine Ergänzung des Grundgesetzes um ein begrenztes Selbstauflösungsrecht des Bundestages aus. Dies solle jedoch auf Ausnahmefälle begrenzt werden und eine Zweidrittelmehrheit erfordern.
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