: Ein dicker Hammer
■ betr.: "Förderprogramm Rechtsradikalismus", taz vom 27.2.93
betr.: „Förderprogramm Rechtsradikalismus“,
taz vom 27.2.93
Die Einstellung von ABM-Maßnahmen ist ein dicker Hammer. Will die Bundesanstalt für Arbeit nur noch Statistik führen, um Arbeitslose zu verwalten, dann ist sie höchst überflüssig, denn AB-Maßnahmen nur in Zeiten von Hochkonjunktur, dies wäre ein Witz.
Der Arbeitslose ist Mitglied der Solidargemeinschaft. Er sollte durch den Verlust seines Arbeitsplatzes nicht ausgeklammert und in die „faule Gesellschaft“ abqualifiziert werden. Gerade heute darf bei ihm nicht das Gefühl aufkommen, er würde nicht mehr gebraucht, sondern er muß wissen, daß die Gesellschaft zu ihm steht und alles tut um, ihm zu helfen. [...]
Die Regierung will und muß sparen. Aber doch nicht an der Schule und an den Sozialleistungen! Hier muß es heißen: „Laßt die Finger davon!“ Wir wollen doch kein Armenhaus für sozial Schwache einrichten. Das Ungleichgewicht unserer Gesellschaft darf nicht weiter erhöht werden. [...] Freie Marktwirtschaft heißt harter Konkurrenzkampf und verlangt Denken und Vorausdenken und Handeln. Regieren heißt nicht große Amtsstuben und Abschiebung von Verantwortung, sondern aufzeigen, wohin der Weg geht. Politiker und Parteien sollten hier kräftig nachhelfen und nicht nur reden und diskutieren. [...] Günther Bau, Köln
[...] Endlich scheinen sich Chancen zu bieten, den Deklassierungsprozeß zügig voranzutreiben, sich der „überflüssigen“, „nutzlosen“ Menschen – der „Arbeitsunwilligen“, des „Sozialmülls“ – zu entledigen. Wer keinen regulären Arbeitsplatz hat und auch keinen Anspruch mehr auf eine ABM-Stelle resp. Weiterbildung oder Umschulung geltend machen kann, wird, mit einer gewissen Zeitverzögerung, zum Sozialfall und darum einfach „dienstverpflichtet“. Genial, ein Heer von staatlichen Billigarbeitskräften – Sklaven wäre wohl richtiger.
Daß von dieser Regierung und ihrer Klientel keine Rücksicht auf sozial Schwache zu erwarten ist, hat sie in den Jahren ihrer Amtszeit hinlänglich unter Beweis gestellt. Wieso also Wortbruch?
Katastrophe, sozialer Unfriede und Proteste? Wozu haben wir eine schlagkräftige Polizei mit Wasserwerfern, chemischen Keulen und allem, was zur Niederhaltung derartiger Proteste benötigt wird?
Über den unendlich ermüdenden, kleingeistigen West-Ost- Streitereien haben die meisten Menschen im Westen übersehen, daß diese bis jetzt nur der Regierung und ihr nahestehenden Interessengruppen genutzt haben. Sie haben nicht nur den Keil des Neides, der Mißgunst und der Schuldzuweisungen zwischen West- und Osteutsche getrieben, sie nutzen die Streitereien vor allem für einen massiven Sozialabbau und weitere (dauerhafte) Ausgrenzung eines Teils des Bevölkerung. [...] Renate Helling, Berlin
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